Die 184. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien hat am 4. November 2025 eine Vielzahl an richtungsweisenden Entscheidungen getroffen, die das Leben der Arbeitnehmer in Wien nachhaltig beeinflussen könnten. Diese Sitzung, die als Wiener Arbeitnehmerparlament bekannt ist, hat 30 Anträge und zwei Resolutionen verabschiedet, die eine breite Palette von Themen abdecken – von wirtschaftlicher Gleichstellung bis hin zu Ticketpreisen für öffentliche Verkehrsmittel.
Ein Blick auf die wirtschaftliche Gleichstellung
Ein zentraler Punkt der Vollversammlung war der Antrag der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter, die sich für eine stärkere wirtschaftliche Gleichstellung der Geschlechter einsetzt. Dieser Antrag fordert die effektive Umsetzung von Gender Budgeting, einer Strategie, die sicherstellen soll, dass die Budgetplanung nicht zu Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern führt. Gender Budgeting ist ein Konzept, das erstmals in den 1980er Jahren in Australien eingeführt wurde und seitdem weltweit an Bedeutung gewonnen hat.
Die AK Wien fordert zudem eine verbesserte Genderstatistik und konsequentes Gender Mainstreaming. Dies bedeutet, dass alle politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf ihre Auswirkungen auf die Geschlechtergleichstellung geprüft werden sollen. Auch die Auswirkungen steigender Lebensmittel- und Energiepreise sowie der zunehmende Einsatz von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz sollen auf ihre gleichstellungspolitischen Wirkungen untersucht werden.
Die Rolle der feministischen Ökonomie
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Antrags ist die Stärkung der feministischen Ökonomie an den Universitäten. Diese Disziplin untersucht, wie wirtschaftliche Theorien und Praktiken Frauen benachteiligen und wie diese Ungleichheiten beseitigt werden können. Die AK Wien fordert, dass die EU-Lohntransparenz-Richtlinie zeitgerecht und effektiv umgesetzt wird, um die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen zu verringern. Diese Richtlinie, die 2021 von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde, zielt darauf ab, mehr Transparenz in die Gehälter von Männern und Frauen zu bringen, um Diskriminierung zu bekämpfen.
Soziale Rechte und Wohnbau im Fokus
Ein weiterer Antrag der Vollversammlung befasst sich mit der Aufwertung sozialer Rechte und der Absicherung des sozialen Wohnbaus auf EU-Ebene. Der soziale Wohnbau ist ein wichtiger Bestandteil der österreichischen Wohnpolitik, der sicherstellen soll, dass auch Menschen mit geringem Einkommen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum haben. Die AK Wien fordert Maßnahmen zur Ausbildung jugendlicher Migranten und Fachkräfte sowie eine Reform der Lehrstellenförderung, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Sonntagsöffnung: Ein heiß diskutiertes Thema
Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter hat sich erneut gegen die Sonntagsöffnung ausgesprochen. Diese Debatte ist in Österreich seit Jahren ein kontroverses Thema, da sie die Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der Arbeitnehmerrechte betrifft. Der Anlass für die erneute Bekräftigung der Ablehnung der Sonntagsöffnung ist der bevorstehende Eurovision Song Contest 2026 in Wien, der voraussichtlich viele Touristen in die Stadt bringen wird.
Verbesserung von Staatsbürgerschaftsverfahren
Die Alternativen, Grünen und Unabhängigen Gewerkschafter haben einen Antrag zur Verbesserung der Staatsbürgerschaftsverfahren in Wien eingebracht, der angenommen wurde. Diese Verfahren sind oft komplex und langwierig, was für viele Einwanderer eine erhebliche Hürde darstellt. Eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren könnte den Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtern und die Integration fördern.
Öffentliche Verkehrsmittel: Einheitliche Ticketpreise
Ein weiterer angenommener Antrag betrifft die Angleichung der Ticketpreise für öffentliche Verkehrsmittel, unabhängig vom Vertriebsweg. Der Gewerkschaftliche Linksblock hat diesen Antrag eingebracht, um sicherzustellen, dass die Preise für Tickets, die online, am Schalter oder am Automaten gekauft werden, gleich sind. Diese Maßnahme soll die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel attraktiver machen und den Zugang für alle Bürger erleichtern.
Forschung und Innovation: Energiespeicher im Blick
Die Grünen Arbeitnehmer haben einen Antrag zur Intensivierung der Energiespeicher-Forschung eingebracht. Energiespeicher sind ein entscheidendes Element der Energiewende, da sie die Speicherung von erneuerbarer Energie ermöglichen und somit zur Stabilität des Stromnetzes beitragen. Die Förderung der Forschung in diesem Bereich könnte Österreich helfen, seine Klimaziele zu erreichen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.
Reform der Wiedereingliederungsteilzeit
Ein gemeinsamer Antrag mehrerer Fraktionen zielt auf eine Reform der Wiedereingliederungsteilzeit ab, um chronisch kranke Menschen besser in die Arbeitswelt zu integrieren. Wiedereingliederungsteilzeit ermöglicht es Arbeitnehmern, nach einer langen Krankheit schrittweise wieder in den Arbeitsalltag zurückzukehren. Eine Reform könnte die Bedingungen für diese Arbeitnehmer verbessern und ihnen helfen, schneller und effektiver wieder in den Beruf einzusteigen.
Medienkrise und Demokratie
Ein weiteres Thema, das in der Vollversammlung behandelt wurde, ist die aktuelle Medienkrise. Die AK Wien hat ein Maßnahmenpaket zur Absicherung der Arbeitsplätze in der Medienbranche verabschiedet, das auch zur Stärkung der Demokratie beitragen soll. Die Medienkrise, die durch den Rückgang der Werbeeinnahmen und die zunehmende Digitalisierung ausgelöst wurde, hat zu einem erheblichen Stellenabbau in der Branche geführt. Die AK Wien fordert Maßnahmen, um diesen Trend zu stoppen und die Medienvielfalt zu erhalten.
Körperliche Belastungen im Rettungswesen
Die Reduktion körperlicher Belastungen im Rettungswesen ist ein weiteres wichtiges Thema, das in der Vollversammlung behandelt wurde. Rettungskräfte sind oft hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt, was zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Die AK Wien fordert Maßnahmen, um die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich zu verbessern und die Gesundheit der Rettungskräfte zu schützen.
Budgetvoranschlag für 2026
Die Vollversammlung hat auch den Budgetvoranschlag für das Jahr 2026 behandelt. Auf Antrag der AK Wien Direktorin wurde der vorliegende Budgetvoranschlag genehmigt. Der Budgetvoranschlag ist ein wichtiger Bestandteil der Finanzplanung der AK Wien und legt fest, wie die Mittel im kommenden Jahr eingesetzt werden sollen.
Diese Entscheidungen und Maßnahmen zeigen, dass die AK Wien bestrebt ist, die Interessen der Arbeitnehmer in der Stadt zu vertreten und gleichzeitig auf die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu reagieren. Die Auswirkungen dieser Beschlüsse werden in den kommenden Jahren zu spüren sein und könnten das Leben vieler Menschen in Wien positiv beeinflussen.