Wien (PK) – Im zweiten Teil der heutigen Dialogplattform autochthoner
Volksgruppen im Parlament hatten sowohl die Vorsitzenden der
Volksgruppenbeiräte im Bundeskanzleramt als auch die
Bereichssprecher:innen der Parlamentsfraktionen die Möglichkeit, sich
zu volksgruppenrelevanten Themen auszutauschen und den verbindenden
Dialog weiter zu stärken.
Als zentrale Anliegen forderten die Volksgruppenvertreter
insbesondere die Förderung der Volksgruppensprachen im Bildungssystem
sowie eine Novellierung des Volksgruppengesetzes. Für letzteres wurde
unter anderem die Einrichtung eines parlamentarischen Konvents
angeregt. Die Volksgruppensprecher:innen der im Parlament vertretenen
Parteien sprachen sich in diesem Sinne für konkrete
Umsetzungsmaßnahmen im Bereich der Bildung und des Spracherhalts aus.
Für Nationalratspräsident Wolfgang Rosenkranz gilt es, den Dialog mit
den Volksgruppen auf parlamentarischer Ebene weiterzuführen und alle
relevanten Entscheidungsträger:innen einzubinden.
Statements der Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte
Alle Vertreter der Volksgruppen teilten die Freude darüber, dass
die Dialogplattform auch unter der neuen Nationalratspräsidentschaft
weitergeführt und mit der Einbindung des gesamten Präsidiums und des
Bundesrats noch „breiter aufgestellt“ worden sei, wie etwa Bernard
Sadovnik sagte. Er betrachtete dies und die Einrichtung einer
Abteilung unter anderem für Volksgruppenangelegenheiten in der
Parlamentsdirektion als besondere Wertschätzung gegenüber den
autochthonen Volksgruppen und der sprachlichen Vielfalt Österreichs.
In einem Vortrag unter dem Titel „Blickpunkt Sprachen“ plädierte
der Vorsitzende des slowenischen Volksgruppenbeirats für eine
„offensive Sprachpolitik“, welche die „restriktive
Minderheitenpolitik der 1970er- und 1980er-Jahre“ hinter sich lassen
soll. Denn die Volksgruppen seien sich jahrzehntelang als „Bettler
der Nation“ vorgekommen. Nun gelte es, die Volksgruppensprachen als
europäische Sprachen unserer Nachbarländer in Österreich sichtbarer
zu machen, was nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll
sei. Damit die Minderheitensprachen nicht verloren gehen, benötige es
die Möglichkeit einer durchgehenden Sprachbildung „vom Kindergarten
bis zum Studium“, erklärte Sadovnik und sprach beispielhaft die
Komenský-Schule in Wien an. Auf diesem Modell aufbauend wäre die
Umsetzung einer Volksgruppenschule in Wien – über die bereits
Einigkeit mit dem Bildungsministerium bestehe – ein wichtiges Zeichen
für den Erhalt der kulturellen Vielfalt Österreichs, so Sadovnik.
Die Bedeutung des Bildungssystems für den Spracherhalt betonten
auch Sebastian Walcher, Vertreter der slowenischen Volksgruppe in der
Steiermark, und Karl Hanzl vom tschechischen Volksgruppenbeirat der .
Laut Hanzl würde eine Stärkung des volksgruppensprachlichen
Unterrichts sowohl zeigen, dass die sprachlichen Minderheiten
Österreich „etwas wert“ sind, als auch, dass Österreich ein „reifes
Land“ innerhalb der EU sei. Vladimir Mlynar vom slowakischen
Volksgruppenbeirat stimmte zu, da eine Förderung der Volksgruppen
auch bedeute „die europäische Fahne in Österreich hochzuhalten“.
Emmerich Gärtner-Horvath, Vorsitzender des Volksgruppenbeirats der
Roma, sprach den Aspekt der Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte
an, die ebenfalls vorrangig in Bildungseinrichtungen stattfinden
solle.
Josef Buranits vom kroatischen Volksgruppenbeirat betonte – so
wie die meisten der Volksgruppenvertreter:innen – die Notwendigkeit,
das Volksgruppengesetz von 1976 zu novellieren und den aktuellen
Bedürfnissen der Angehörigen der Minderheiten anzupassen. Schon 2011
habe eine Expert:innen-Gruppe dahingehende Vorschläge ausgearbeitet.
Buranits regte einen parlamentarischen Konvent zur Reform des
Volksgruppengesetzes sowie einen ständigen parlamentarischen
Ausschuss für die Anliegen der Volksgruppen an. Da sich 2026 die
Erlassung des Volksgruppengesetzes zum 50. Mal jähre, eigne sich
dieses Jahr besonders für die Umsetzung eines solchen Konvents, wie
auch Sadovnik zustimmte. Beide Volksgruppenvertreter sahen auch die
70. Jährung des Staatsvertrags als gute Gelegenheit an, den
Volksgruppen mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.
Seitens des ungarischen Volksgruppenbeirats gab Attila Somogyi zu
bedenken, dass Spracherhalt nur dann funktioniere, wenn die Sprachen
auch in ihrer „Funktionalität“ erhalten würden. So böten
Bezirkshauptmannschaften und Rathäuser dafür gegenwertig nur
beschränkte Möglichkeiten. Somogyi plädierte außerdem für eine
Erhöhung der Volkgruppenförderung.
Vertiefung der Dialogplattform, um Anliegen gerecht zu werden
In der letzten Legislativperiode sei viel Positives für die
Volksgruppen getan worden, sprach ÖVP-Mandatarin Agnes Totter etwa
die Verdoppelung der Volksgruppenförderung an. Für diese
Gesetzgebungsperiode würde sie konkrete Umsetzungsmaßnahmen mit dem
Schwerpunkt Bildung und Spracherwerb begrüßen. Für Michael Bernhard (
NEOS) ist wichtig, dass aus dem Dialogforum heraus konkrete Lösungen
für die Anliegen der autochthonen Volksgruppen, insbesondere mit dem
Fokus auf das Bildungssystem entstehen. Olga Voglauer (Grüne) schlug
zur Ausarbeitung von Gesetzen die Durchführung einer
parlamentarischen Enquete vor. Sie dankte den
Volksgruppenvertreter:innen für die Aufrechterhaltung ihrer
„Contenance“, obwohl sie der Politik Jahrzehnte lang dieselben
Forderungen ausrichten müssten. Die Geschichte der Volksgruppen sei
nicht nur eine der Ausgrenzung, sondern eine der Beharrlichkeit,
meinte SPÖ-Nationalratsabgeordneter Antonio Della Rossa (SPÖ) in
Vertretung seiner Fraktionskollegin Pia Maria Wieninger in Bezug auf
den Einsatz für den Spracherhalt. Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ) war
der Ansicht, dass die Pflege der eigenen Sprache in Österreich gut
funktioniere.
Die vorgebrachten Forderungen seien laut Nationalratspräsident
Wolfgang Rosenkranz auf fruchtbaren Boden gefallen, wie er in seinen
Abschlussworten meinte. Er garantiere, dass der Dialog mit den
Volksgruppen weitergeführt werde und griff auch den Vorschlag
hinsichtlich einer Enquete als Möglichkeit auf. Angedacht werden
könnte seiner Meinung aber auch die Ausweitung des derzeitigen
Formats, um auch Bundeskanzleramt, Bildungs- und Finanzministerium an
den gemeinsamen Tisch zu bringen und den Anliegen gerecht zu werden.
Jedenfalls sollen die Informationen aus dem Dialogforum an die
Entscheidungsträger:innen aller Abgeordneten beider Kammern
herangetragen werden.
Bereits demnächst gibt es im Parlament die nächste Veranstaltung
mit Volksgruppenbezug. Am 8. April 2025 wird im Hohen Haus der
Internationale Roma-Tag begangen. (Schluss Dialogplattform) wit/fan
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf
vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments .