Wien (OTS) – Ein Spaziergang im Herbst, ein antikes Epos und eine
globale Pandemie
– aus diesen Zutaten formt die belgische Künstlerin Ana Torfs ihr
jüngstes Werk The Day You Were Thinking About the Sibyl While You
Were Picking Autumn Leaves . Zu sehen ist der 28-teilige Werkzyklus
aus Jacquard-Tapisserien nun erstmals im Rahmen der Ausstellungsreihe
Die Sammlung betrachten & An Insert by… der Kunstsammlungen der
Akademie der bildenden Künste Wien.
Die als Einschübe ( Inserts) in die jeweils temporär arrangierte
Schausammlung konzipierten Installationen und Werkgruppen
zeitgenössischer Künstler:innen werden neben den Highlights aus der
Sammlung der Gemäldegalerie – von Bosch bis Rubens – präsentiert.
The Day You Were Thinking About the Sibyl While You Were Picking
Autumn Leaves
An Insert by Ana Torfs
In der folgenreichen Zeit der Corona-Pandemie liest Ana Torfs in
Vergils antikem Epos Aeneis . Wohl nicht zufällig denkt sie auf
Spaziergängen zur selben Zeit beim Sammeln von buntem Herbstlaub an
die Sibylle von Cumae, die ihre Weissagungen auf Blätter schrieb und
die Aeneas, in Cumae gelandet und zum Gründervater Roms bestimmt, in
die Unterwelt führte, um seinen Vater Anchises aufzusuchen.
Das gesammelte Herbstlaub trocknet die Künstlerin zwischen
Zeitungsseiten. Aus diesem Herbarium wählt sie Blätter aus, die sie
mit dem Texthintergrund der Nachrichtenblätter in genau definierten
Ausschnitten fotografiert und schließlich mit ihren in Verssprüchen
auf Papierschnipseln niedergeschriebenen Gedanken über persönliche
Empfindungen und Reflexionen zum Welt- und Naturgeschehen kombiniert.
Gewicht erhält dieses Palimpsest an medialen Schichten durch den
aufwendigen Prozess des Webens eines Wandteppichs.
Die so entstandenen Tapisserien, die dem Flüchtigen des
Alltagsgeschehens durch das textile Medium eine vermeintliche
Beständigkeit verleihen, erteilen nachdrücklich Auskunft über eine
historisch einprägsame Gegenwart, deren Folgen für die Zukunft
unabsehbar sind. Wie der Wind die Blätter der Sybille mit den
Weissagungen durcheinanderwirbelt, so scheint es unmöglich,
verlässliche Handlungsperspektiven aus dem nicht abreißenden Fluss
von medialen Übertragungen abzuleiten. Nachrichten bleiben, auch in
Anbetracht der Möglichkeiten manipulativer digitaler Verfahren,
zunehmend sibyllinisch – rätselhaft.
In ihrem Zyklus verwebt Torfs in gewisser Weise das Tableau eines
pandemischen Zeitgeschehens mit zwei mythischen Strängen, dem der
Prophetin Sibylle und dem der Weberin Arachne, zu einer Serie von
gewebten Textbildern. Gleichzeitig verwebt die Ausstellung selbst
prophetische und eschatologische Erzählstränge aus Torfs’
Installation mit Werken aus den eigenen Sammlungen und Leihgaben des
Kunsthistorischen Museums Wien zu einem Raum mit mannigfachen Bezügen
zwischen Medien, Mythen und Ikonografien, zwischen Vergangenheit und
Gegenwart.
Die von Ana Torfs gewählte Technik des Webens kann nicht zuletzt
in Referenz zu der Hochzeit der Tapisserieproduktion in den
Niederlanden seit dem 16. Jahrhundert gelesen werden. Die Produktion
der Tapisserien von Ana Torfs wurde in Kollaboration mit TextielLab,
der Fachwerkstatt des Textielmuseum Tilburg realisiert.
Ana Torfs
Ana Torfs (* 1963) lebt und arbeitet in Brüssel. Sie begibt sich in
den konzeptionellen Ansätzen ihrer Arbeit zumeist auf Spurensuche.
Ihre Recherche stützt sich auf bildliche und schriftliche Quellen aus
historischen, kulturgeschichtlichen, ethnologischen, filmischen oder
naturwissenschaftlichen Zusammenhängen. Solche Quellen sind nicht nur
der Ausgangspunkt ihrer Forschungen, sondern sie werden zumeist auch,
medial transformiert und poetisch überhöht, in ihre Werke integriert.
Thematisch verortet sind sie oft im Denkhorizont eines dominanten
Westens und dessen Aneignungsformen „anderer“ Kulturen – deren
Besitznahme, Vereinnahmung und auch Inkaufnahme von Zerstörung –
zugunsten der Idee des Fortschritts. Häufig werden die menschliche
Stimme, das Sprechtheater herangezogen, um Zeugenschaft gegenwärtig
werden zu lassen.
Kuratiert von Sabine Folie und Synne Genzmer
Die Sammlung betrachten
Die Sammlung betrachten fokussiert auf Werke aus der Epoche des
Barock, vorrangig aus dem Legat von Anton Franz de Paula Graf Lamberg
-Sprinzenstein aus dem Jahre 1822, und auf Werke aus dem Umfeld der
Wiener Akademie um 1800. Neben den beliebten Hauptwerken wie Anthonis
van Dycks Selbstbildnis , dem Trompe-l’Oeil-Stillleben von Samuel van
Hoogstraten, Bartolomé Esteban Murillos Würfelspielende Knaben und
Martin Ferdinand Quadals Der Aktsaal der Wiener Akademie im St. Anna
Gebäude sind selten gezeigte Werke zu sehen, darunter Jacob van
Ruisdaels Waldlandschaft mit einem Teich , Der Tabulettkrämer von
Godfried Schalcken und Selbstbildnis von Friedrich von Amerling.
Immer wieder ergeben sich Bezüge zwischen den Gemälden des
Sammlungsbestandes und den 28 Tapisserien von Ana Torfs, verteilt auf
vier Sektionen zu jeweils sieben Stück.
Kuratiert von Claudia Koch
Werkliste:
Werke von Willem van Aelst, Friedrich von Amerling, Herri met de
Bles, Hieronymus Bosch, Dieric Bouts, Ugo da Carpi, Joos van Cleve,
Bartolomeo Coriolano, Lucas Cranach d. Ä., Giuseppe Maria Crespi,
Domenico Cunego, Anthonis van Dyck, Barent Fabritius, Heinrich
Friedrich Füger, Jan Fyt, Luca Giordano, Jan van Goyen, Jean-Baptiste
Greuze, Hans Baldung Grien, Werkstatt Jan van den Hoecke, Jacob
Jordaens, Johann Baptist von Lampi d. J., Werkstatt Alessandro
Magnasco, Nicola Malinconico, Bartolomé Esteban Murillo, Giovanni
Battista Piranesi, Martin Ferdinand Quadal, Rembrandt Harmensz. van
Rijn, Salvator Rosa, Peter Paul Rubens, Jacob van Ruisdael, Isaack
van Ruisdael, Giovanni Andrea Sirani, Umkreis Elisabetta Sirani,
Francesco Solimena, Pierre Subleyras, Ferdinand Georg Waldmüller et
al.
Druckgrafiken nach Michelangelo Buonarroti, Giacomo Conca, Vincenzo
Dolcibene, Francesco Giangiacomo, Hans Holbein d. J., Girolamo
Francesco Mazzola gen. Il Parmigianino, Nicolas Poussin, Guido Reni,
Raffaello Santi gen. Raffael, Salvator Rosa, Peter Paul Rubens
Ein Insert von Ana Torfs: The Day You Were Thinking About the Sibyl
While You Were Picking Autumn Leaves
Ausstellung
Die Sammlung betrachten & The Day You Were Thinking About the Sibyl
While You Were Picking Autumn Leaves
An Insert by Ana Torfs
Ausstellungsdauer: 3. Oktober 2025 bis 30. August 2026
Ort: Akademie der bildenden Künste Wien, Gemäldegalerie
Schillerplatz 3, 1010 Wien; +43 1 588 16 2201
Öffnungszeiten: Täglich außer Montag, 10–18 Uhr
Lektionen / Lessons und Führungen
Die Ausstellung begleiten Vorträge im Rahmen der Lektionen / Lessons.
Kuratorinnenführungen
The Day You Were Thinking About the Sibyl While You Were Picking
Autumn Leaves An Insert by Ana Torfs
mit Sabine Folie und Synne Genzmer, Kuratorinnen, 7. November 2025,
16 Uhr, im Rahmen der Vienna Art Week
Die Sammlung betrachten & An Insert by Ana Torfs
mit Synne Genzmer und Claudia Koch, 2. Dezember 2025, 16 Uhr
Überblicksführungen jeweils Sonntag, 10.30 Uhr
Publikation zur Ausstellung
3 The Day You Were Thinking About the Sibyl While You Were Picking
Autumn Leaves An Insert by Ana Torfs
Die Publikation zur Ausstellung erscheint im Rahmen der Reihe der
Kunstsammlungen Die Sammlung betrachten & An Insert by … ,
herausgegeben von Sabine Folie und Synne Genzmer
Texte von Sabine Folie, Synne Genzmer und Ana Torfs
Deutsch/Englisch, 68 Seiten, 27 Farbabbildungen, VfmK Verlag für
moderne Kunst, Wien
ISBN 978-3-99153-224-8
Preis: 8 Euro
Die Publikation ist im Shop der Gemäldegalerie erhältlich oder kann
unter kunstsammlungen@akbild.ac.at bestellt werden.
Alle aktuellen Termine und Informationen finden Sie laufend
unter: www.kunstsammlungenakademie.at