Wien (PK) – Im Zentrum des diesjährigen „Gedenktags gegen Gewalt und
Rassismus im
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“ im Parlament stand der
Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim und die Erinnerung an die dort
ermordeten Menschen. Schloss Hartheim war eine von sechs
Tötungsanstalten der NS-Euthanasieaktion „T4“. Von 1940 bis 1944
wurden hier bis zu 30.000 Menschen ermordet. Dabei handelte es sich
um Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Neben
Bewohnerinnen und Bewohnern von Psychiatrien und Pflegeheimen für
Menschen mit Behinderung fielen dem Morden auch arbeitsunfähige KZ-
Häftlinge aus den Lagern Mauthausen, Gusen, Ravensbrück und Dachau
sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Osteuropa zum Opfer.
Zu der Veranstaltung, die live auf ORF II übertragen wurde, hatte
das Nationalratspräsidium Walter Rosenkranz, Peter Haubner und Doris
Bures gemeinsam mit der Bundesratspräsidentin Andrea Eder-
Gitschthaler in den Bundesversammlungssaal im Parlament geladen.
Zweiter Nationalratspräsiden Haubner hielt die Eröffnungsrede, in der
er betonte, dass der 5. Mai nicht nur ein Gedenktag an Vergangenes
sei, sondern auch eine Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft
zum Ausdruck bringe, damit sich Derartiges nie wieder wiederholen
könne.
Moderiert wurde die Veranstaltung von der ORF-Journalistin Nadja
Bernhard. Nadja Bernhard sagte in ihrer Begrüßung, es sei ihr eine
besondere Ehre und Freude, Überlebende des Holocaust und des NS-
Terrors sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu der Veranstaltung
begrüßen zu dürfen. Das österreichische Parlament bemühe sich
intensiv um die Pflege und Bewahrung der Erinnerung an die Opfer von
Gewalt und Rassismus. Eine lebendige Erinnerungskultur sei Teil einer
offenen, toleranten und reflektierten Gesellschaft.
Dokumentation zeichnet Vernichtungssystem in Schloss Hartheim
nach
Als Einführung in das Thema der Gedenkveranstaltung wurde ein
Ausschnitt aus der ORF-III-Dokumentation „Schloss Hartheim – Die NS-
Mordanstalt“ gezeigt. Thomas Hackl und Martina Hechenberger
beleuchten darin den Massenmord des NS-Regimes im
oberösterreichischen Schloss Hartheim, dem zwischen 1940 und 1944
rund 30.000 Menschen zum Opfer fielen.
Schloss Hartheim war die größte der so genannten
„Euthanasieanstalten“ des Deutschen Reiches“. 1898 wurde im Schloss
vom „Oberösterreichischen Landeswohltätigkeitsverein“ eine
Einrichtung zur Behindertenbetreuung etabliert, in der etwa 200
Menschen mit Behinderungen aus Oberösterreich lebten. Im Dezember
1938 wurde der bisherige Trägerverein aufgelöst und die Leitung der
Anstalt der Fürsorgeabteilung der Gau-Selbstverwaltung übertragen.
Das Morden begann im Frühjahr 1940, als das Schloss innerhalb weniger
Wochen zu einer NS-Euthanasieanstalt im Rahmen der später so
genannten „Aktion T4“ umgebaut wurde. Die vormaligen Bewohner:innen
des Schlosses wurden erst in andere Pflegeanstalten im Gau Oberdonau
gebracht und bald darauf die ersten Opfer der Tötungsanstalt
Hartheim.
Im Mai 1940 begannen die Morde in einer Gaskammer mittels
Kohlenmonoxid. Die Opfer der „Aktion T4“ waren Personen mit
körperlicher und geistiger Behinderung sowie psychischen Erkrankungen
aus psychiatrischen Anstalten, Pflegeeinrichtungen und
Fürsorgeheimen. Zudem wurden mit der „Aktion 14f13“ oder
„Sonderbehandlung 14f13“ arbeitsunfähige Häftlinge aus den KZ-
Systemen Mauthausen-Gusen, Dachau und Ravensbrück sowie zivile
Zwangsarbeiter:innen aus Osteuropa und der Sowjetunion nach Hartheim
gebracht. Zur Jahreswende 1944/45 versuchte man, mit Rückbauarbeiten
im Bereich der Tötungsanlagen alle Spuren des Geschehens zu
beseitigen. Trotzdem tauchen immer wieder Akten, Fotografien,
Fundstücke und Daten jener Menschen auf, deren Leben eng mit Hartheim
verbunden war oder dort endete.
Haubner: „Gedenken ohne Haltung ist bedeutungslos“
Am 5. Mai erinnern wir uns an die Befreiung des
Konzentrationslagers Mauthausen und damit an das dunkelste Kapitel
unserer Geschichte, hob Zweiter Nationalratspräsident Peter Haubner
in seinen Eröffnungsworten hervor. Der besondere Blick soll heute auf
die zehntausenden Opfer der Tötungsanstalt Hartheim gerichtet werden.
Frauen, Männer und Kinder, die wegen einer Behinderung oder Krankheit
als „lebensunwert“ betrachtet wurden. Ihr Tod sei aber keine Tragödie
des Zufalls gewesen, sondern ein systematisches und perfides
Verbrechen, betonte Haubner. Er sei penibel geplant, emotionslos
verwaltet und wie eine Statistik vollzogen worden. Ein Akt des
Zynismus und des Rassenwahns.
Dabei habe es sich um kein isoliertes Verbrechen gehandelt, es
sei vielmehr Teil eines Systems gewesen, das Millionen Menschen das
Leben gekostet habe: Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, politisch
Verfolgte, Homosexuelle, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter,
Menschen mit Behinderung, Zeugen Jehovas – und viele andere. Nun sei
es unsere Aufgabe, den vielen Opfern ihre Namen, ihre Gesichter und
ihre Geschichten zurückzugeben, zeigte sich der Zweite
Nationalratspräsident überzeugt.
Antisemitismus sei auch kein Phänomen der Vergangenheit, stellte
Haubner mit Nachdruck fest. Allein im Jahr 2024 seien in Österreich
über 1.500 antisemitische Vorfälle registriert worden, was einem
Anstieg von 30 % entspricht. Auch die Antisemitismusstudie des
Parlaments zeige deutlich, dass es ein wachsendes Problemfeld unter
Jugendlichen gebe, vor allem bei einem Holocaust-bezogenen und
israelbezogenen Antisemitismus. Wenn Antisemitismus in Europa und
weltweit im Steigen begriffen sei – ganz egal, ob von rechts, links
oder aus dem migrantischen Umfeld – dann gelte es, Jüdinnen und Juden
beizustehen. Es dürfe kein Verständnis für Gewalt, keine
Relativierung von Terror geben und kein Platz für Antisemitismus
sein. Auch in der Vergangenheit habe das Unfassbare nicht erst hinter
den Mauern der Konzentrationslager seinen Anfang genommen, sondern in
den Gassen der Städte, in den Wohnungen und Häusern. Es habe mit dem
Wegsehen begonnen und dort, wo Hass hingenommen wurde. Das Schlimme
komme nämlich nicht plötzlich, sondern es beginne leise. Mit einem
kleinen Satz wie „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“.
Der 5. Mai sei daher kein Tag des bloßen Erinnerns, sondern ein
Bekenntnis zur Menschlichkeit, zur historischen Verantwortung und zu
einem „Nie wieder“, unterstrich der Zweite Nationalratspräsident.
Denn Erinnerung ohne Konsequenz sei eine leere Geste und Gedenken
ohne Haltung sei bedeutungslos. Als er letzte Woche das KZ Mauthausen
besucht habe, habe ihn ein Satz, der auf dem Mahnmal für die
griechischen Opfer stand, zutiefst berührt: Vergiss uns nicht, die
wir hier getötet wurden, denn das Vergessen des Bösen ist die
Erlaubnis zu seiner Wiederholung. (Fortsetzung Gedenkveranstaltung)
sue/sox
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf
vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments .