Wien (PK) – Der Lobautunnel sei nur ein Beispiel von vielen
Straßenbauprojekten,
die vor mehreren Jahrzehnten geplant, von der Bevölkerung abgelehnt,
den Flächenverbrauch explodieren lassen und das ohnehin bereits
umfassende Straßennetz Österreichs noch erweitern und auf Dauer das
Budget des Bundes sowie der Länder und Gemeinden immer stärker
belasten würden, warnen die Grünen. Die Oppositionspartei hatte heute
dazu im Nationalrat eine Dringliche Anfrage mit dem Titel
„Konsolidieren statt Betonieren – Wie bewertet der Finanzminister das
finanzielle und ökologische Einsparungspotenzial beim Stopp von
überflüssigen Straßenbauprojekten in Bund und Ländern?“ eingebracht.
Trotz hoher Investitionen und noch höheren Folgekosten durch
Sanierungen und Umweltschäden und den Auswirkungen der Klimakrise
werde selbst in Zeiten des Sparbedarfs an diesen Projekten „aus
ideologischen Gründen“ festgehalten, kritisiert Leonore Gewessler (
Grüne) in ihrer Anfrage.
Vor der Behandlung der Dringlichen Anfrage gab es in der Sitzung
eine intensive Diskussion über den von FPÖ-Abgeordnetem Peter Wurm in
der Aktuellen Stunde verwendeten Begriff „Umvolkung“, wobei mehrere
Abgeordnete auf die nationalsozialistische Konnotation des Begriffs
verwiesen und kritisierten, dass Nationalratspräsident Walter
Rosenkranz Wurm keinen Ordnungsruf dafür erteilen wollte. Er teile
diese Auffassung nicht, so Rosenkranz. Wurm zog den Begriff in
weiterer Folge der Debatte schließlich zurück.
Grüne: „Überflüssige Straßenbauprojekte“ zum Wohle des Budgets
einsparen
Unabhängig vom großen Spardruck habe die Bundesregierung keine
klimaschädlichen Subventionen abgeschafft oder deren Abschaffung auch
nur zur Debatte gestellt, heißt es in der Dringlichen Anfrage der
Grünen an den Finanzminister. Mit der Wiedereinführung von
klimaschädlichen Subventionen für Nutzfahrzeuge sei sogar das
Gegenteil der Fall. Nicht einmal die dazu im Finanzministerium
eingerichtete Taskforce scheine „in die Gänge zu kommen“. Für die
Grünen liegt der Ball bei Finanzminister Markus Marterbauer, eine
gesamtstaatliche Übersicht über die Ausgaben und insbesondere
potenziellen Einsparungen zu haben und den sinnvollen Umgang mit
Budgetmitteln innerhalb der Bundesregierung sicherzustellen. Da der
Finanzminister auch auf europäischer Ebene für das gesamtstaatliche
Defizit verantwortlich sei, habe dieser auch die Ausgaben von Ländern
und Gemeinden im Auge zu behalten.
Konkret wollten die Grünen in ihrer Anfrage etwa von Marterbauer
wissen, wie sich das Finanzministerium für eine Verbesserung der
Transparenz der Landes- und Gemeindebudgets einsetze, wie hoch die
Ausgaben des Bundes für klimaschädliche Subventionen sind und welche
Maßnahmen man zur Reduzierung setze. Zudem interessieren sich die
Grünen für die Mittel von Bund, Ländern und Gemeinden für den Bau und
Erhalt von Straßen sowie für die finanzielle Situation der ASFINAG.
„Konsolidieren statt Betonieren“ sei aufgrund der budgetären Lage
„das Gebot der Stunde“, unterstrich Leonore Gewessler (Grüne) in
ihrer Wortmeldung. Die ehemalige Verkehrsministerin sprach sich dafür
aus, „überflüssige Straßenbauprojekte“ zum Wohle des Budgets
einzusparen. Noch dazu, wo Österreich mit insgesamt 128.000
Kilometern beim Straßennetz 50 % über dem EU-Schnitt liege und
aktuelle Studien zum Schluss kommen würden, dass diese Vorhaben nicht
zukunftsfähig seien. Österreich könne es sich nicht leisten „den
grauen Betonelefanten“ weiter zu finanzieren. Die Straßenbaupläne von
heute, seien die sich in den kommenden Jahrzehnten niederschlagenden
zusätzlichen Instandhaltungskosten der Länder und Gemeinden, mahnte
Gewessler.
Marterbauer: Zum Erreichen der Budgetziele sind Einsparungen in
allen Bereichen nötig
Um die von der Bundesregierung ausgegebenen Budgetziele zu
erreichen, seien Kürzungen in allen Bereichen – unter anderem auch
beim Straßenbau – nötig, hielt Finanzminister Markus Marterbauer in
Richtung der Grünen Fraktion fest. Eine „gute Infrastruktur in allen
Dimensionen“ und dementsprechende Investitionen seien aber
entscheidende Faktoren für den Wirtschaftsstandort. Dies betreffe
etwa Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des
Bahnnetzes. Laut Marterbauer ist „allen klar“, dass die
Sanierungspolitik nicht auf Kosten einer zukunftsfähigen Klimapolitik
gehen darf, da die Auswirkungen eines Nichthandelns zu groß sein
würden.
Die aktuelle Budgetsituation ist für Marterbauer „nicht vom
Himmel gefallen“, sondern eine Folge der schlechten
Konjunkturentwicklung, wirtschaftspolitischer Fehlentscheidungen in
der Teuerungskrise, sowie einer „massiven Förderung von Klima- und
Naturschutz“ ohne Gegenfinanzierung. Ohne Sanierungsmaßnahmen würde
das Budgetdefizit laut Marterbauer im heurigen Jahr auf 27 Mrd. Ꞓ
steigen. Somit seien die Zeiten einer Politik nach dem Motto „Koste
es, was es wolle“ vorbei, es gehe um eine effiziente und
kostensparende Klimapolitik, die stärker auf Regulierung als auf
„Milliardenförderungen“ setzen soll, so der Finanzminister. Dieser
Schwerpunkt spiegle sich auch im Regierungsprogramm wider. In Bezug
auf die schlechten Budgetzahlen von Ländern und Gemeinden sprach sich
auch Marterbauer für mehr Transparenz aus. Dies soll auch Teil der
nach Abschluss der Budgetverhandlungen beginnenden Verhandlungen mit
den Gebietskörperschaften über einen neuen Stabilitätspakt sein.
Kogler fordert mehr Transparenz bei Länder- und Gemeindefinanzen
Bekräftigt wurde die Kritik Gewesslers an teuren
Straßenbauprojekten von ihren Parteikollegen Werner Kogler und Jakob
Schwarz. Nicht nur die Ausgaben des Bundes für den Bau und den Erhalt
von Straßen seien „explodiert“, auch die Länder und Gemeinden würden
hierfür „ganz schön viel Geld hinaushauen“, kritisierte Kogler. Dabei
gebe es in Österreich „keine Knappheit an Autobahnen und
Schnellstraßen“. Ein Verzicht auf Straßenbauprojekte wäre seiner
Meinung nach überdies nicht nur ein wesentlicher Beitrag zur
Budgetkonsolidierung, sondern auch zum Klima- und zum Bodenschutz.
Allgemein forderte Kogler mehr Transparenz bei Länder- und
Gemeindefinanzen. Die Länder und die Gemeinden hätten einen weitaus
höheren Anteil als der Bund beim Abweichen vom ursprünglichen
Budgetpfad 2024 gehabt, meinte er. Als wesentlichen Grund für die
aktuelle wirtschaftliche Lage sieht Kogler die langjährige hohe
Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas, dafür habe man einen
hohen Preis gezahlt.
Hinsichtlich der Infrastrukturprojekte sprachen Elisabeth Götze (
Grüne) von „Geld beim Fenster raus schmeißen“ und Lukas Hammer (Grüne
) von einem Weitermachen mit der „Betoniererei“.
FPÖ: Grüne blockieren notwendige Umfahrung Wiens
Für FPÖ-Abgeordneten Maximilian Lindner ist die Kritik der Grünen
an den Ländern und den Gemeinden allerdings nicht nachvollziehbar. Er
führt das gestiegene Defizit der Länder und Kommunen auf die aktuelle
wirtschaftliche Lage zurück, für die er die Bundespolitik
verantwortlich machte. Anstatt über Klimaschutzprojekte nachzudenken,
sollte man sich vielmehr überlegen, wie man die Wirtschaft und die
Industrie „retten“ könne, mahnte er. Lindner sprach sich auch dafür
aus, die teilweise Zweckbindung der Kommunalen Investitionsprogramme
für Klimaschutzprojekte aufzuheben.
Was den Straßenbau betrifft, warf Lindner den Grünen vor, den
ländlichen Raum „aushungern“ zu wollen. Auch der Forderung nach einem
Aus für den Lobautunnel kann die FPÖ nichts abgewinnen. Dieser sei
der letzte Baustein eines funktionierenden Autobahnrings rund um
Wien, machte Abgeordneter Maximilian Weinzierl geltend. Auch in der
Zeit ihrer Regierungsbeteiligung in Wien haben die Grünen seiner
Ansicht nach „eine Stadtpolitik ohne Weitblick und ohne echte
Mobilitätslösung“ betrieben. Man habe „verbaut, verdichtet und
versiegelt“, wie etwa die Beispiele Seestadt und Hauptbahnhof
zeigten.
Die Ideologie der Grünen würde jede „sinnvolle“ Infrastruktur mit
notwendigen Entlastungen der Bevölkerung „torpedieren“, kritisierte
Thomas Spalt (FPÖ). Sein Parteikollege Gerhard Deimek wandte sich
gegen eine Abschaffung von Pendlerförderungen.
ÖVP: Mit Stopp von Straßenbauprojekten kann man Budget nicht
sanieren
ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger hob hervor, dass ein
Stopp von Straßenbauprojekten kein Beitrag zur Budgetkonsolidierung
wäre. Der Lückenschluss im übergeordneten Straßenbau werde nicht aus
dem Budget gezahlt, betonte er. Mit einem Verzicht auf den
Lobautunnel und auf andere Projekte könne man damit auch das Budget
nicht sanieren. Schließlich sei die ASFINAG ein ausgegliedertes
Unternehmen und ihre Schulden nicht maastrichtrelevant. Zudem werde
der Straßenausbau vorrangig mit Einnahmen aus der Pkw-Vignette und
der Lkw-Maut finanziert. Auch das Dividenden-Argument ist für
Ottenschläger nicht schlüssig, schließlich würden bei mehr
Straßenbaukilometern auch die Einnahmen steigen.
Was den Lobautunnel betrifft, wies Ottenschläger darauf hin, dass
die Stadt Wien in den vergangenen 25 Jahren um mehr als 400.000
Menschen gewachsen sei und in den nächsten Jahren weiterwachsen
werde. Man werde eine entsprechende Infrastruktur brauchen, sagte er.
Die Beteiligung aller Fraktionen bei der Konsolidierung des
Budgets mahnte Andreas Hanger (ÖVP) ein. Insgesamt brauche es mehr
Optimismus im Land, um Investitionen bei Haushalten und Betrieben
anzuregen. Die Bedeutung der Überarbeitung des Mobilitätsmasterplans
hob Joachim Schnabel (ÖVP) hervor.
SPÖ: Grüne haben Budgetdefizit mitverursacht
Als „reine Chuzpe“ wertete SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer die
Dringliche Anfrage der Grünen. Die aktuelle Budgetsituation sei
„nicht vom Himmel gefallen“, sondern das Ergebnis der Politik der
letzten Jahre, gab er zu bedenken. Im letzten Regierungsjahr der
schwarz-grünen Regierung habe das gesamtstaatliche Defizit 4,7 % des
BIP betragen. Das seien um 10 Mrd. Ꞓ mehr als lange behauptet. Nun
müsse die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP und den NEOS „den Scherbenhaufen
wegräumen“. Nach Ansicht Krainers wurde das Wort Gegenfinanzierung in
den vergangenen Jahren aus der Budgetpolitik gestrichen, wobei seiner
Meinung nach damit schon die ÖVP-FPÖ-Koalition 2018 begonnen habe.
Zum Begriff „Betonieren“ merkte Krainer an, Beton an sich sei
nichts schlechtes, auch U-Bahn-Röhren würden betoniert. Wenn man
einen Tunnel baue, durch den der Verkehr durchfahren könne, sei das
durchaus sinnvoll investiert.
Die gemeinsame Verantwortung aller Fraktionen zum Schließen des
Budgetlochs forderte Katrin Auer (SPÖ) ein. Eine gute Verkehrspolitik
der Bundesregierung trotz der schwierigen budgetären Lage hob
Wolfgang Moitzi (SPÖ) hervor.
NEOS werben für Private-Public-Partnership
Seitens der NEOS warb Dominik Oberhofer für Private-Public-
Partnership-Modelle, wobei er die 2006 unter der schwarz-blauen
Regierung initiierte Weinviertel-Autobahn als positives Beispiel
hervorhob. Mit einem solchen Modell könne man auch „in finanziell
klammen Zeiten“ Straßenbauprojekte forcieren, meinte er.
Scharfe Kritik übte Oberhofer an Ex-Ministerin Gewessler. Diese
habe in ihrem Ministerium „ein Chaos hinterlassen“ und dieses „wie
eine NGO“ geführt, sagte er. Mit der Stopp-Taste für viele
Straßenbauprojekte sei auch die Verkehrssicherheit gefährdet worden.
Zudem ortet Oberhofer mit Verweis auf einen Rechnungshofbericht einen
„katastrophalen Zustand“ mancher Straßen. Das Klimaticket soll laut
Oberhofer weitergeführt werden, auch wenn dies budgetär schwierig
sei.
Karin Doppelbauer (NEOS) kritisierte an der letzten
Bundesregierung die „Fördergießkanne“ und Maßnahmen wie den hohen
Beamtenabschluss sowie den mangelnden Mut zu strukturellen Reformen.
Die NEOS würden den Bau des Lobautunnels als einzige Fraktion neben
den Grünen ebenfalls kritisch sehen, erläuterte Michael Bernhard (
NEOS). (Fortsetzung Nationalrat) med/gs/pst
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.