Wien (PK) – Eingehend befasste sich der Nationalrat heute mit dem
Bericht über
Rechtsextremismus in Österreich 2023 unter Berücksichtigung der Jahre
2020 bis 2022. Die Abgeordneten nahmen den Bericht mehrheitlich mit
den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen zur Kenntnis. Deutliche
Kritik kam von der FPÖ, die den Bericht für „pseudowissenschaftlich“
hält. Im Bericht wird festgehalten, dass es eine Reihe an Problemen
in Sachen Erhebung und Aufbereitung der Daten gebe, die die
Aussagekraft der Zahlen und die Möglichkeit sinnvoller Vergleiche
über die Zeit limitieren. So könne grundsätzlich eine erhöhte Zahl
rechtsextremistischer Straftaten auch mit anderen Faktoren wie einer
veränderten gesetzlichen Lage oder Problemwahrnehmung zu tun haben.
Nichtsdestotrotz zeige eine Sekundärdatenanalyse der staatlichen
Kriminalstatistik, dass die Zahl rechtsextremistischer Straftaten in
den Jahren 2020 bis 2023 angestiegen sei.

In der Minderheit blieben drei Anträge der FPÖ zu Justizthemen.
Neben einer Senkung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre fordern die
Freiheitlichen einen Straferschwerungsgrund für Täter:innen mit
Asylantrag und wollen außerdem illegale Grenzübertritte als
Straftatbestand erfassen. Zum Thema Strafmündigkeit fassten ÖVP, SPÖ
und NEOS eine Entschließung zur Umsetzung effektiver Maßnahmen bei
der Bekämpfung von Jugendkriminalität. Jugendkriminalität soll
demnach eingedämmt werden, ohne unter 14-Jährige einer
strafgerichtlichen Verfolgung auszusetzen. Neben
„Normverdeutlichungsgesprächen“ auch für nicht strafmündige
Jugendliche sollten demnach etwa eine Durchsetzbarkeit von
Ausgangsbeschränkungen geklärt und spezialisierte sozialpädagogische
Wohngemeinschaften mit der Option eng befristeter Formen von
Zwangsaufenthalt – unter richterlicher Prüfung – geschaffen werden.

Die Grünen setzten sich mit Anträgen zum einen für ein „echtes
Maßnahmenpaket“ gegen Kriminalität statt „Symbolpolitik“ auf dem
Rücken junger Menschen ein. Zum anderen forderten sie ein
Mindestalter von 16 Jahren für die Nutzung von Social Media-
Plattformen. Diese beiden Anträge blieben in der Minderheit.

Bericht über Rechtsextremismus in Österreich

Verfasst wurde der Bericht über Rechtsextremismus in Österreich
vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) im
Auftrag des Justizministeriums und des Innenministeriums, wie
Justizministerin Anna Sporrer erläuterte. Was etwa den
internationalen Blickwinkel bei dem Thema betrifft, ist dem Bericht
zufolge vor allem für die seit jeher mit dem österreichischen
Rechtsextremismus eng verflochtene deutsche Szene ein besonders hohes
Maß an Austausch zu konstatieren. Aber auch für eine Reihe anderer
Länder sei in relevantem Ausmaß Interaktion feststellbar.

Zudem habe sich der rechtsextreme Zeitschriftenmarkt (Print und
Online) in Österreich in jüngerer Vergangenheit sehr dynamisch
entwickelt. Die Digitalisierung wiederum habe zur Herausbildung neuer
Formen eines primär auf mediale Verwertbarkeit hin orientierten
Aktionismus, einen Typus des rechtsextremen Influencers, „seltener:
der Influencerin“, sowie zur verstärkten Heranziehung von
Videospielen und Gaming-Plattformen zur Verbreitung rechtsextremer
Ideologie geführt. Ein starker Anstieg zeige sich drüber hinaus 2023
bei antisemitischen und antimuslimischen Vorfällen in Österreich. In
inhaltlicher Hinsicht sei die Bedeutung der einst zentralen Leugnung
des Holocausts in jüngerer Vergangenheit zurückgegangen, der
Antisemitismus jedoch von prägnanter Bedeutung geblieben.

Justizministerin Sporrer hielt gegenüber der Kritik der FPÖ fest,
dass der Bericht nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt worden
sei. Die Zahlen seien alarmierend, zumal sich etwa die Straftaten
nach dem Verbotsgesetz von 2015 bis 2024 mehr als verdreifacht
hätten. Zu verzeichnen seien etwa auch Körperverletzungen, Stalking
und gefährliche Drohungen, was sie für eine bedrohliche Entwicklung
halte. Eine zentrale Erkenntnis sei die Warnung vor der
Normalisierung der rechtsextremen Sprache und Denkweise und dass sich
die Phänomene bis in die gesellschaftliche Mitte ziehen würden. Ein
Begriff wie „Umvolkung“, der eindeutig aus NS-Diktion stamme, dürfe
im Hohen Haus nicht zur Normalität werden, so Sporrer.

FPÖ mit scharfer Kritik, ÖVP für verbesserten Bericht

Harald Stefan (FPÖ) kritisierte die Erstellung des Berichts durch
das DÖW als „pseudowissenschaftliche Agitation von Linksextremen“. Er
führte Beispiele aus dem Bericht an, wonach etwa von
Rechtskatholizismus bis zur Ablehnung von Islamismus vieles als
rechtsextrem dargestellt würde. Die FPÖ sei „sowieso“ das Synonym
dafür, was in dem Bericht als rechtsextrem bezeichnet werde, nannte
Stefan das einen „müden Versuch“, die FPÖ „anzupatzen“. Das wahre
Problem sei die massive Zuwanderung, mit der Gewalt und eine
Ablehnung der Grundordnung importiert worden seien. Auch Markus
Leinfellner (FPÖ) ortet im Bericht eine „pseudowissenschaftliche
Hassschrift gegen die FPÖ“. Außerdem werde das Bild verfälscht, so
Leinfellner, der den Anstieg an Anzeigen den tatsächlichen
Verurteilungen gegenüberstellte.

Jede Art von Extremismus sei antidemokratisch und strikt
abzulehnen, hielt Johanna Jachs (ÖVP) fest. Man wisse, dass der
Rechtsextremismus der häufigste und gefährlichste sei. Es gelte aber,
extremistische Gefahren sowohl von „links“ als auch von „rechts“
aufzuhalten. Stellenweise halte sie Bewertungen des Autors im Bericht
für überzogen. Das schade der Sache, zumal Extremismusbekämpfung
nicht parteipolitisch sei sollte. Es brauche einen Schulterschluss
gegen Rechtsextremismus und gegen jede Form des Extremismus, so
Jachs. Wolfgang Gerstl (ÖVP) erachtet es als alarmierend, dass die
sogenannte „neue Rechte“ an Einfluss gewinne und auch Antisemitismus
eine besorgniserregende Zunahme verzeichne. Die rechtsextremistischen
Tathandlungen bis hin zum Mord müssten ganz Österreich betroffen
machen. Aus seiner Sicht sollte sich der Bericht aber an konkreten
Definitionen orientieren. So sei eine Person rechts der Mitte noch
lange nicht rechtsextrem. Er freue sich auf den nächsten,
„verbesserten“ Bericht, so Gerstl.

SPÖ, NEOS und Grüne kritisieren Terminologie der FPÖ

Sabine Schatz und Antonio Della Rossa (beide SPÖ) warfen der FPÖ
vor, mit ihrer Terminologie wie etwa einer Verwendung des Begriffs
„Umvolkung“ die Dinge zu verharmlosen. Die Zahlen im Bericht wie etwa
der hohe Anstieg an rechtsextremen Straftaten seien beängstigend, so
Schatz. Rechtsextremismus sei eine Gefahr für die Demokratie, für das
gesellschaftliche Zusammenleben und für die innere Sicherheit.

Aus Sicht von Sophie Marie Wotschke (NEOS) schütte die FPÖ mit
ihrer Sprache bzw. den genannten Begriffen „Öl ins Feuer“. Die FPÖ
komme im Bericht 231 Mal vor und verschiebe die Hemmschwelle für
Rechtsextremismus, warf sie den Freiheitlichen vor. Ralph
Schallmeiner (Grüne) ging auf „selbsternannte alternative Medien“
ein, die rechtsextreme Narrative verbreiten würden. Er ortet hier ein
„Scharnier“ zur FPÖ. Umso wichtiger sei es, dass der Bericht darauf
hinschaue. Aus Sicht von Lukas Hammer (Grüne) lege der Bericht die
Verbindung zur rechtsextremen Szene offen. Ihm zufolge gehe es den
Freiheitlichen darum, die Grenzen des „Sagbaren“ immer weiter „nach
rechts“ zu verschieben. Ebenso wie Yannick Shetty (NEOS) bemängelte
Hammer außerdem einen Zwischenruf von Herbert Kickl (FPÖ), in dem es
den beiden zufolge neuerlich um den Begriff „Umvolkung“ ging. In
einer kurzen Sitzungsunterbrechung kamen die Abgeordneten
diesbezüglich überein, das Thema in der Präsidiale weiter zu
erörtern.

Strafmündigkeit ab zwölf Jahren: Keine Mehrheit für FPÖ-Antrag

Die Forderung der FPÖ nach einer Senkung der Strafmündigkeit auf
zwölf Jahre wurde von den anderen Parteien im Nationalrat abgelehnt.
Die Freiheitlichen argumentierten die wiederholt vorgebrachte
Forderung nach einer Senkung der Strafmündigkeit und Deliktsfähigkeit
auf zwölf Jahre damit, dass die Zahl der unter 14-jährigen
tatverdächtigen Personen in den letzten Jahren dramatisch angestiegen
sei. Die registrierten Straftaten, die von Kindern zwischen zehn und
14 Jahren begangen worden seien, hätten sich mehr als verdoppelt. Das
von der FPÖ vorgeschlagene mehrstufige Konzept sieht eine
Inhaftierung nur als letzte Möglichkeit vor. Zwangsmaßnahmen wie eine
„Schnupperhaft“ sollten demnach aber gesetzt werden können.

Harald Stefan (FPÖ) wies darauf hin, dass es aus Sicht der
Freiheitlichen ein Bündel an Maßnahmen brauche, bei dem erst an
letzter Stelle eine Anhaltung stehe. Immerhin habe die
Dreierkoalition mit einer eigenen Entschließung nun den
Handlungsbedarf erkannt, so Stefan. Dass „straffällige Ausländer
immer jünger und jünger“ würden, bezeichnete Markus Tschank (FPÖ)
außerdem als das Ergebnis einer völlig gescheiterten Asyl- und
Migrationspolitik.

Mit Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters würde die
Kriminalität nicht sinken, zeigte sich Muna Duzdar (SPÖ) überzeugt.
Elke Hanel-Torsch (SPÖ) zufolge werde außerdem ein Großteil der
Straftaten von ein paar wenigen „Systemsprengern“ begangen. Die
Bundesregierung arbeite an Prävention etwa durch multiprofessionelle
Teams, zumal die Situation sich nicht verbessere, wenn Kinder ins
Gefängnis kommen würden.

Auch Johanna Jachs (ÖVP) wies auf Statistiken hin, die zeigen
würden, dass es sich bei Jugendkriminalität nicht um ein
Massenphänomen, sondern um einzelne Täter handle. Auch wenn sich die
ÖVP zuvor für eine Herabsetzung des Alters ausgesprochen habe, sei
jetzt mit dem Regierungsprogramm ein breiter Kompromiss mit
sinnvollen Maßnahmen zur Prävention und Erziehung erarbeitet worden.
Für „Intensivtäter“ sei ihr das Thema Ausgangsbeschränkungen wichtig,
für das sie noch vor dem Sommer auf eine Umsetzung hoffe.

Kinder würden im Gefängnis nicht verantwortungsbewusster, sondern
sehr wahrscheinlich danach wieder straffällig oder brechen die Schule
früher ab, meinte Sophie Marie Wotschke (NEOS). Mit
multiprofessionellen Teams und „Jugend-WGs“ soll daher versucht
werden, dass diese wieder „zurückgeholt“ würden. Es sei wichtig, hier
Maßnahmen zu setzen wie etwa die Kinder- und Jugendhilfe besser
auszustatten, so Agnes Sirkka Prammer (Grüne).

Barbara Neßler (Grüne) brachte den Antrag der Grünen zur
Altersbeschränkung für Social Media ab 16 Jahre ein. Jugendstudien
würden zeigen, dass auch Jugendliche diese Beschränkung wollen. Sie
seien online mit Hass, Krieg und Bodyshaming und damit mit Dingen
konfrontiert, die am Schulhof niemals zugelassen würden. Zugleich
verdiene die Industrie dahinter Milliarden, so Neßler. Die
entsprechende Altersverifikation sollte laut Grünen über die e-ID
erfolgen, und zwar ohne Weitergabe von personenbezogenen Daten außer
der Information, dass die Person das 16. Lebensjahr vollendet hat.

Illegale Grenzübertritte, neuer Straferschwerungsgrund

Ebenfalls von den anderen Parteien abgelehnt wurde ein FPÖ-
Entschließungsantrag , der darauf abzielt, jede unerlaubte Einreise
in das österreichische Staatsgebiet ohne gültige Einreisedokumente
oder behördliche Genehmigung als Straftatbestand zu erfassen. Damit
will die FPÖ „illegale Migration und Massenzuwanderung unter dem
Deckmantel von Asyl“ bekämpfen. Der Kriminalitätsanstieg in
Österreich steht aus Sicht der Freiheitlichen in Zusammenhang mit
illegaler Migration und Schlepperkriminalität, weshalb ihnen zufolge
„Geschleppte“ genauso bestraft werden sollten wie Schlepper.

Thomas Elian (ÖVP) hält den Vorschlag für weder praktikabel noch
zielführend, wie er sagte. Zudem würde er internationalen
Verpflichtungen widersprechen. Die aktuellen Zahlen der
Grenzübertritte würden außerdem zeigen, dass die Situation unter
Kontrolle sei und dass die Maßnahmen der Regierung Wirkung zeigen.

In der Minderheit blieb auch eine Initiative der FPÖ für eine
Änderung des Strafgesetzbuches im Hinblick auf
Straferschwerungsgründe. Den Freiheitlichen geht es in ihrem
Gesetzesvorschlag um eine Verschärfung der besonderen
Erschwerungsgründe für jene Täter:innen, die in Österreich einen
Asylantrag eingebracht haben. Gelten soll der Erschwerungsgrund gemäß
FPÖ-Idee auch dann, wenn das Asylverfahren bereits rechtskräftig
abgeschlossen, eingestellt oder gegenstandslos geworden ist, oder der
Aufenthalt des oder der Täter:in im Bundesgebiet geduldet worden ist.
Sie sieht darin eine Möglichkeit der Abschreckungswirkung für
„Ausländerkriminalität“.

Als gleichheits- und grundrechtswidrig stuften Manfred Sams (SPÖ)
und Bettina Zopf (ÖVP) diesen Antrag ein. Das Strafrecht bemesse sich
nicht daran, wo jemand geboren wurde, so Sams, der den Antrag für
„unnötig und brandgefährlich“ hält. Ungleichbehandlung sei jedenfalls
kein Nährboden für gute Integration, hielt Zopf fest. (Fortsetzung
Nationalrat) mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.