Wien (PK) – Mit einer Verfassungsänderung hat das ungarische
Parlament kürzlich
die Abhaltung von Pride-Paraden faktisch verboten. Aus diesem Grund
wandte sich eine breite Mehrheit der Abgeordneten im Nationalrat mit
einer Entschließung gegen die Einschränkung der Rede-, Meinungs- und
Versammlungsfreiheit von LGBTIQ+-Personen in Ungarn. Nicht
mitgetragen wurde die Initiative von der FPÖ.

Einstimmig nahm der Nationalrat einen Sammelbericht des
Petitionsausschusses zur Kenntnis. Zum einen wird im Bericht
festgehalten, dass vier Bürgerinitiativen in den entsprechenden
Fachausschüssen weiter beraten werden sollen. Des Weiteren wurde mit
der Kenntnisnahme des Berichts auch die parlamentarische Behandlung
zweier Bürgerinitiativen aus der Phase der Regierungsbildung nach den
Nationalratswahlen abgeschlossen. So wurde etwa der Rücktritt der von
ÖVP und Grünen gebildeten Bundesregierung gefordert. Für eine
„alternative Regierungsbildung“ in Form einer Expertenregierung hatte
sich eine weitere Initiative ausgesprochen.

Breite Mehrheit gegen Einschränkungen der Rechte von LGBTIQ+-
Personen in Ungarn

Vor dem Hintergrund des kürzlich vom ungarischen Parlament
verabschiedeten Verbots der Abhaltung von Pride-Paraden wendet sich
der Nationalrat gegen die Einschränkung der Rede-, Meinungs- und
Versammlungsfreiheit von LGBTIQ+-Personen in Ungarn. Der von den
Grünen eingebrachte Text einer Entschließung , die für Verschärfungen
der EU-Maßnahmen gegen Ungarn plädiert hatte, wurde im Ausschuss mit
einen gemeinsamen Antrag von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen abgeändert und
von den einbringenden Fraktionen beschlossen. Konkret ersucht der
Außenpolitische Ausschuss damit die Bundesregierung, sich auf
bilateraler Ebene gegen die Einschränkungen einzusetzen und deutlich
zu machen, dass die Rechte von LGBTIQ+-Personen in Ungarn sowie
Grundprinzipien der EU, wie Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, zu
achten sind.

Susanne Fürst (FPÖ) sah den Umgang mit Pride-Paraden als eine
innerstaatliche Angelegenheit Ungarns. Die vier Parteien würden
einmal mehr in moralisierender Weise versuchen, ein Problem
heraufzubeschwören, das nicht existiere. Auch in Ungarn könnten
queere Personen und Homosexuelle frei leben. Worauf das ungarische
Gesetz abziele, sei die Zurschaustellung abweichenden sexuellen
Verhaltens und von sexualisierten Szenarien in der Öffentlichkeit zu
verbieten, die geeignet sein könnten, Kinder zu verstören. Sie
bezweifle, dass eine solche öffentliche Zurschaustellung, wie sie bei
Pride-Paraden stattfinde, zu den europäischen Grundwerten gehöre. Im
Übrigen gehe die größte Gefahr für homosexuelle oder queere Personen
von Islamisten aus, deren Einfluss in Europa und auch in Österreich
leider immer größer werde. Hierzu vermisse sie klare Aussagen der
anderen Fraktionen. FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker sagte, die
FPÖ wolle niemanden seine Lebensweise vorschreiben. In bestimmten
Fällen, wo es um den Schutz von Kindern gehe, erlaube sie sich aber,
anderer Meinung zu sein. Den antragstellenden Parteien warf er vor,
nur bestimmte Vorfälle hervorzuheben, aber etwa die Angriffe von
Linksextremen auf alle, die traditionelle konservative Politik
vertreten, zu ignorieren.

Der Kinderschutz, mit dem die Pride-Paraden verboten wurden, sei
nur eine vorgeschobene, fadenscheinige Begründung, kritisierte
Henrike Brandstötter (NEOS). Was hier zum Ausdruck komme, sei die
Tatsache, dass Ungarn sich immer mehr von den europäischen Werten
entferne. Die Menschenrechte, die in Ungarn und in anderen Ländern
immer mehr unter Druck geraten würden, seien nicht verhandelbar.
Viktor Orban schüre die Feindschaft gegenüber Minderheiten, um die
Gesellschaft zu spalten und so sein System zu festigen.

Nico Marchetti (ÖVP) warf FPÖ-Abgeordneter Fürst vor, die
ungarische Argumentationslinie zu unterstützen, die versuche,
Homosexuelle in die Nähe der Pädophilie zu rücken. Er erinnerte
daran, dass unter anderem wegen dieser Diskreditierungsversuche
ganzer Gruppen bereits ein „Artikel 7-Verfahren sowie eine Klage beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegenüber Ungarn im
Laufen sei. Selbstverständlich handle es sich daher auch um eine
internationale Angelegenheit, und er werde sich von der FPÖ nicht
verbieten lassen, eine klare Meinung dazu zu äußern.

Wenn menschenrechtsfeindliche Bestimmungen in einem Nachbarland
in der Verfassung verankert würden, dürfe man nicht untätig bleiben,
sagte Mario Lindner (SPÖ). Die Angriffe auf die LGBTIQ+-Community
seien Ausdruck eines rechten Kulturkampfes, der auch in Österreich
bereits zu verschiedenen Vorfällen geführt habe. Dass es Menschen
gebe, deren Geschlechtsidentität sich weder als Mann noch als Frau
festlegen lasse, müsste im Übrigen auch der FPÖ längst bekannt sein.
Lindner führte eine Reihe von homosexuellen- und transfeindlichen
Angriffen in der letzten Zeit an. Diese besorgniserregende
Entwicklung werde von der FPÖ ignoriert oder sogar ins Lächerliche
gezogen.

David Stögmüller (Grüne) warf der FPÖ vor, eine illiberale
Politik zu unterstützen, wie sie sich gerade in Ungarn unter Viktor
Orban immer stärker manifestiere. Mit der Entschließung stelle man
sich klar auf die Seite der ungarischen Opposition, die gegen diese
Entwicklungen aufstehe und die Menschenrechte verteidige.
Homosexuelle in die Nähe der Pädophilie zu rücken, falle nicht unter
das Recht auf freie Meinungsäußerung, sagte Meri Disoski (Grüne).
Hier handle es sich vielmehr um Hetze und gezielte Diskreditierung
der man konsequent entgegentreten müsse. Das Vorgehen gegen die
LGBTIQ+-Community in einer Politik der kleinen Schritte zeige sich in
vielen Ländern. Ziel dieser Taktik sei es, Menschen zu zwingen, aus
der Öffentlichkeit zu verschwinden und sich zu verstecken. Dagegen
müsse man auftreten.

Meinl-Reisinger: Entschließung stärkt diplomatische Bemühungen

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger dankte für die klare
Positionierung des Nationalrats. Mit der Annahme der Entschließung
erhielten ihre diplomatischen Bemühungen eine starke Unterstützung.
Sie habe mit ihrem ungarischen Amtskollegen die Frage des Verbots der
Pride-Paraden klar angesprochen. Hier gehe es um europäische
Grundwerte und um Fragen, die über den Anlassfall hinausgehen, sagte
die Ministerin. Ungarn könne nicht immer nur die positiven Seiten der
EU genießen wollen, während es gleichzeitig bestimmte Positionen der
EU nicht mittragen wolle bzw. ein gemeinsames Auftreten nach Außen
erschwere. Damit schwäche Ungarn letztendlich Europa insgesamt,
dessen offene Gesellschaftsordnung auch die Grundlage für seinen
wirtschaftlichen Erfolg bilde.

Nationalrat behandelt Sammelbericht zu Bürgerinitiativen

Der Petitionsausschuss des Nationalrats hat bereits in der
letzten Gesetzgebungsperiode eine Reihe von Bürgerinitiativen
behandelt. In seiner ersten Sitzung der aktuellen
Gesetzgebungsperiode wurden mehrere Anliegen der Bürger:innen wieder
aufgenommen und den neu gebildeten Fachausschüssen des Nationalrats
zugewiesen, wie einem Sammelbericht des Ausschusses zu entnehmen ist.

Im Bildungsausschuss weiter behandelt werden etwa die
Bürgerinitiative zur Ermöglichung der alternativen
Leistungsbeurteilung ohne Noten im Rahmen der Schulautonomie, sowie
eine Bürgerinitiative zur Abschaffung der Deutschförderklassen und
des MIKA-D Tests.

Alois Kainz (FPÖ) sah die Initiative zur alternativen
Leistungsbeurteilung kritisch. Damit würde das Bildungssystem, das
ohnehin bereits in einer schweren Krise sei, noch weiter ausgehöhlt.
Klare Leistungsbewertungen seien unumgänglich notwendig, um
Orientierung zu geben. Die Abschaffung der Deutschförderklassen zu
fordern bedeute, die Augen vor der Realität zu verschließen, die
zeige, dass es in österreichischen Schulen immer mehr Kinder mit
mangelhaften Deutschkenntnissen gebe.

Christoph Zarits (ÖVP) sprach sich für die Weiterführung der
Deutsch-Förderklassen aus. Sie seien ein wichtiges Element der
sprachlichen Integration. Auch sein Fraktionskollege Andreas
Kühberger meinte, die Förderklassen sollten nicht abgeschafft,
sondern gestärkt werden. Sprachbeherrschung sei ein wichtiger Faktor
für die Bildungskarriere. Hier gelte es, die richtigen Lösungen zu
finden.

Ebenfalls im Bildungsausschuss behandelt wird die Forderung nach
einem Recht für Kinder mit Behinderung auf ein 11. und 12. Schuljahr.
Irene Neumann-Hartberger (ÖVP) meinte, die Forderung nach einem 11.
und 12. Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf
betreffe vielleicht nur eine kleine Gruppe, für diese sei es aber
eine essentielle Forderung, da es um bessere Chancen für ihr weiteres
Leben gehe. Sie freue sich, dass diese Forderungen daher im
Regierungsprogramm verankert sind. Maria Neumann (ÖVP) sah
Bürgerinitiativen und Petitionen als wichtige Instrumente der
direkten Demokratie. Die Bürgerinitiative für das 11. und 12.
Schuljahr habe große Unterstützung erfahren und zeige, dass solche
Initiativen die Politik auf Anliegen hinweisen können, die sie sonst
weniger beachtet hätte.

Auch Elisabeth Feichtinger (SPÖ) sah den Anspruch auf ein 11. und
12. Jahr für junge Menschen, die längeren pädagogischen
Betreuungsbedarf haben, als richtigen Schritt. Die MIKA-D-Tests
müssten weiterentwickelt werden. Deutschförderung sei für alle Kinder
wichtig und sollte nicht nur rein als Thema für Schüler:innen mit
Migrationshintergrund gesehen werden. Mit den Initiativen würden
Bürger:innen zeigen, dass ihnen Bildung ein wichtiges politisches
Anliegen sei, meinte Heinrich Himmer (SPÖ). Er sei daher erfreut
darüber, dass diese Anliegen auch vom Regierungsprogramm aufgenommen
würden.

Dem Sammelbericht ist auch zu entnehmen, dass eine
Bürgerinitiative hinsichtlich gesetzlicher Änderungen bei
Schwangerschaftsverlusten unter 500 Gramm im Familienausschuss weiter
behandelt werden soll.

Diese Bürgerinitiative greife ein schmerzliches Thema auf, sagte
Bernhard Herzog (SPÖ). Sie wolle auch Bewusstsein für eine sensiblere
Sprache schaffen und damit zur Enttabuisierung des Themas
Schwangerschaftsverlust beitragen.

Durch Kenntnisnahme des Sammelberichts erledigte der Nationalrat
auch die Behandlung der Bürgerinitiative zur „Entlassung der
Bundesregierung Nehammer – Kogler“ und einer weiteren betreffend
einer „Regierungsalternative“ in Gestalt einer Expertenregierung.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS) führte an, dass diese
Forderungen bereits umgesetzt bzw. nicht mehr umsetzbar seien.
Grundsätzlich sei der Petitionsausschuss für die Bürger:innen eine
„offene Tür“ zum Nationalrat und könnte diese Rolle auch verstärkt
wahrnehmen. Der Ausschuss sollte weiter geöffnet werden und noch mehr
dazu dienen, den Diskurs mit den Bürger:innen zu verstärken. Dafür
werde er sich auch weiterhin als Obmann des Ausschusses einsetzen.

Christian Lausch (FPÖ) sah es als positiv, dass eine Reihe von
Bürgerinitiativen in den Fachausschüssen weiter behandelt wird. Er
hoffe, dass dieser Weg fortgesetzt werde und im Ausschuss und den
Fachausschüssen eine aktive Auseinandersetzung mit den Anliegen der
Bevölkerung stattfinde, statt diese nur einfach „zur Kenntnis zu
nehmen“.

Manfred Sams (SPÖ) hob aus den Petitionen, die im Ausschuss
behandelt wurden, die Unterstützung für eine Umsetzung der EU-
Richtlinie zur Gehaltstransparenz hervor. Hier gehe es um die
Umsetzung eines wichtigen Schrittes zur Erzielung von
Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen. (Schluss Nationalrat)
sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.