Wien (PK) – Nachdem der Innenausschuss in seiner letzten Sitzung die
von der
Koalition vorgeschlagene „Pause“ bei der Familienzusammenführung
einhellig in Begutachtung schickte, sprach er sich heute mehrheitlich
für den entsprechenden Initiativantrag der Regierungsparteien aus.
Unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags stimmten ÖVP, SPÖ und
NEOS für die Änderung des Asylgesetzes, die es der Bundesregierung
ermöglichen soll, die Bearbeitung von Anträgen auf
Familienzusammenführung per Verordnung vorübergehend auszusetzen (
167/A ).
Für Innenminister Gerhard Karner stellt die Novelle einen
wesentlichen Schritt zur Entlastung insbesondere des österreichischen
Bildungssystems dar. Als „richtiges Signal“ sehen sie die
Koalitionsparteien. Die FPÖ bezeichnete die Gesetzesänderung hingegen
als „Placebo“, durch welches die wahren Probleme im Asyl- und
Migrationsbereich nicht gelöst würden. Die Grünen zweifelten
grundsätzlich an der Notwendigkeit der Novelle und führten
rechtsstaatliche Bedenken ins Feld.
Keine Mehrheit fanden die Vorstöße der Opposition zu diesem
Thema. Der FPÖ geht es um einen sofortigen und permanenten Stopp der
Familienzusammenführung ( 83/A(E) ), während die Grünen auf eine EU-
rechtskonforme Regelung in derselben Frage pochen ( 162/A(E) ).
Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt wurden zudem zwei
weitere FPÖ-Initiativen. Darin fordern sie einerseits eine „Asylstopp
-Novelle“ des Asylgesetzes ( 179/A ) und andererseits die Erlassung
der asylgesetzlichen Notverordnung ( 60/A(E) ).
Gesetzesänderung für Koalition „richtungsweisend“, für FPÖ
„Placebo“, für Grüne nicht notwendig
Österreich sei in den letzten Jahren besonders stark durch die
Familienzusammenführung belastet gewesen, erklärte Innenminister
Karner in seiner einleitenden Stellungnahme. In den vergangenen zwei
Jahren seien mehr als 17.000 Schutzberechtigte nach Österreich
„nachgezogen“, viele davon schulberechtigte Kinder. Dies habe
besonders in Wien zur Überlastung des Bildungssystems aber auch zu
einer „massiven Steigerung“ der Jugendkriminalität geführt, so
Karner. Daher habe die Bundesregierung bereits im letzten Jahr
unterschiedliche Maßnahmen gesetzt, wie den verstärkten Einsatz von
DNA-Tests und Dokumentenprüfungen, wodurch eine „drastische
Reduktion“ der Nachzüge gelungen sei. In der nun vorliegenden Novelle
des Asylgesetzes seien aus den Stellungnahmen abgeleitete
„legistische Weiterentwicklungen“ per Abänderungsantrag eingearbeitet
worden, um das Aussetzen der Familienzusammenführung rechtlich
abzusichern. In weiterer Folge soll laut Karner ein Kontingentsystem
erarbeitet werden, das sowohl die Aufnahmekapazitäten der staatlichen
Systeme als auch die Wahrung der durch die Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) verfassungsgesetzlich gewährleisteten
Rechte berücksichtigt.
Auf die Stellungnahmen ging auch Lukas Brandweiner (ÖVP) ein, der
speziell jene der Stadt Wien hervorhob, die vom Familiennachzug „am
härtesten betroffen“ sei und den Gesetzesentwurf „ausdrücklich
begrüßt“. Laut seinem Fraktionskollegen Andreas Minnich gehe man mit
der Gesetzesänderung „neue Wege“, wodurch Österreich nun im
„Spotlight Europas“ stehe. Für Robert Laimer (SPÖ) ist die Novelle
„richtig und richtungsweisend“. Sie setze „die richtigen Signale“, um
den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht weiter zu schwächen.
Kritik kam insbesondere von Seiten der Freiheitlichen, die einen
„diametral“ anderen Zugang verfolge, wie Gernot Darmann (FPÖ)
ausführte. Die Novelle sei ein „Placebo“ und betreffe nur eine
„Nebenfront des gesamten Asylchaos“. Über die Familienzusammenführung
seien 17.000 Personen nach Österreich gekommen, insgesamt seien es in
den letzten vier Jahren jedoch 250.000 Migrant:innen gewesen. Wenn
die Bundesregierung für das Aussetzen der Familienzusammenführung mit
der Wahrung der inneren Sicherheit argumentiere, so könne sie dies
erst recht zu Gunsten eines „absoluten Asylstopps“ tun, erklärte
Darmann. Dies sei auch den Koalitionsparteien klar, doch man „traue
sich nicht drüber“ und die Staatsgrenze bleibe weiterhin ein „offenes
Tor“. Darmann bemängelte außerdem, dass in die Novelle mit den
Ausnahmeregelungen in Bezug auf die EMRK bereits eine
„Handlungsanleitung für die Asylindustrie und Schleppermafia“
eingebaut sei, um die Regelung zu umgehen. Ähnlich sah dies Reinhold
Maier (FPÖ), für den die Gesetzesänderung lediglich „Symbolpolitik“
darstellt.
Die FPÖ ignoriere mit ihren Forderungen den EU- und
völkerrechtlichen Rahmen, hielten Maximilian Köllner (SPÖ) und Sophie
Wotschke (NEOS) den Freiheitlichen entgegen. Abweichungen vom
sekundären EU-Recht müssten verhältnismäßig und begründet sein, um
auch vor Gerichten zu halten, erklärte Wotschke.
Aus einem anderen Blickwinkel kritisierte Agnes-Sirkka Prammer
von den Grünen die Novelle. Laut ihr sei es fraglich, ob die
zuständigen Vertretungsbehörden die richtigen Entscheidungsgrundlagen
für die Anwendung der Ausnahmereglungen hätten und, ob ein Merkblatt
für die Information nicht alphabetisierter Personen sinnvoll sei.
Generell erschließe sich Prammer die Notwendigkeit der Novelle nicht,
wie sie ausführte, da Innenminister Karner selbst erklärt habe, dass
bereits wirkungsvolle Maßnahmen im Rahmen der vorhandenen Rechtslage
getroffen worden seien. Zudem stelle es eine „massive Werteumkehrung“
dar, wenn die Antragsteller:innen mit der Novelle begründen müssten,
warum ihnen ein Grundrecht zustehe.
Prammer verkenne, dass Österreichs Aufnahmekapazitäten
insbesondere im Bildungssystem erschöpft seien, entgegnete Andreas
Minnich (ÖVP). 60 % der Schüler:innen in Wien pflegten eine andere
Umgangssprache als Deutsch, ergänzte Sophie Wotschke (NEOS).
Staatsekretär Jörg Leichtfried betonte, dass es um einen
Mittelweg zwischen Menschlichkeit und Ordnungsgedanken gehen müsse.
Sowohl die Rechtsstaatlichkeit als auch der soziale Frieden müssten
bei allen Maßnahmen gewahrt bleiben.
Asylgesetz-Novelle soll Familienzusammenführung temporär
aussetzen
Die Novelle soll es der Bundesregierung ermöglichen, eine
Verordnung zu erlassen, wodurch Anträge auf Familienzusammenführung
weiterhin gestellt werden können sollen, die zuständigen Behörden
sich jedoch nicht an die sechsmonatige Entscheidungsfrist halten
müssten. Voraussetzung dafür wäre, dass die Bundesregierung im
Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats feststellt, dass
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der
inneren Sicherheit gefährdet sind. Angeführt werden im Antrag auch
einige Ausnahmefälle, die insbesondere Minderjährige oder andere
Antragsteller:innen betreffen, bei denen das Recht auf Privat- und
Familienleben laut EMRK „zwingend geboten“ ist. Bei diesen soll die
halbjährige Entscheidungsfrist auch während der Gültigkeit der in
Rede stehenden Verordnung eingehalten werden müssen. Die Koalition
beruft sich dabei auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union (AEUV). Dieser ermöglicht es den
Mitgliedstaaten von einzelnen Bestimmungen des sekundären Asylrechts
der EU abzuweichen, um den Schutz der öffentlichen Ordnung und der
nationalen Sicherheit aufrecht zu erhalten. Die Regelung soll laut
Antrag mit Ende September 2026 außer Kraft treten.
Im Ausschuss brachten die Koalitionsparteien dazu einen
gesamtändernden Abänderungsantrag ein, der Präzisierungen und
zusätzliche Übergangsregelungen enthält. So sollen auch Personen,
deren Verfahren bereits vor Inkrafttreten einer entsprechenden
Verordnung anhängig waren, die Möglichkeit erhalten, nachträglich
darzulegen, warum in ihrem Fall aus Gründen des Schutzes des
Familienlebens gemäß EMRK eine Ausnahme von der Fristenhemmung
geboten sei. Zudem wird festgelegt, dass alle Antragsteller ein
Merkblatt in verständlicher Sprache erhalten müssen, das sie über die
neuen Verfahrensregeln informiert. Auch bei der Beurteilung der
Minderjährigkeit von Bezugspersonen – etwa in Fällen, in denen ein
Elternteil zum minderjährigen Schutzberechtigten nachziehen möchte –
wird klargestellt, dass der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich
ist, selbst wenn die Entscheidung erst nach Außerkrafttreten der
Verordnung erfolgt.
FPÖ will generellen „Asylstopp“
Zwei weitere FPÖ-Initiativen wurden vertagt, darunter die
Forderung nach einer „Asylstopp-Novelle“ des Asylgesetzes. So stünde
laut FPÖ-Mandatar Michael Schilchegger die Möglichkeit zur illegalen
Einreise nach Österreich und in weiterer Folge der „Legalisierung des
Aufenthalts durch Missbrauch des Asylrechts“ weiterhin offen. Bereits
gestellte Asylanträge sollten als nicht eingebracht gelten und
Antragsteller:innen zurückzuführen seien, sofern ihr weiterer
Aufenthalt im Bundesgebiet nicht gerechtfertigt ist. Österreich sei
immerhin ausschließlich von sicheren Ländern umgeben, so die
Antragsbegründung.Ebenfalls vertagt wurde die FPÖ-Forderung nach der
Erlassung der asylgesetzlichen Notverordnung, um „illegale
Massenmigration“ durch Hinderung an der Einreise bzw. Zurückweisungen
zu unterbinden.
Schilchegger teilte Innenminister Karners Befund der Überlastung
des Schulsystems und verwies zusätzlich auf Herausforderungen im
Sicherheitsbereich und im Gesundheitssystem. Ein „Asylstopp“ – und
nicht nur ein Aussetzen der Familienzusammenführung – wäre daher ein
„Gebot der Stunde“. Denn auch der Attentäter von Villach sei nicht
über die Familienzusammenführung, sondern als Asylwerber nach
Österreich gekommen, gab Schilchegger zu bedenken.
Inhaltlich sah sich Wolfgang Gerstl (ÖVP) in dieser Frage nicht
weit von den Freiheitlichen entfernt. Die ÖVP unterscheide sich
jedoch „strikt“ hinsichtlich der Umsetzung der politischen Ziele.
Wenn Anträge von Fremden als nicht eingebracht gelten sollen „hört
sich der Rechtsstaat auf“, so Gerstl. In dieser Formulierung der FPÖ
komme zum Ausdruck, dass ihnen die Menschenrechte „im Grunde egal“
seien.
Schilchegger wies diesen Vorwurf entschieden zurück und erklärte,
dass mit der Formulierung lediglich ausgedrückt werden soll, dass
Österreich für die Bearbeitung der betreffenden Asylanträge nicht
zuständig sei.
Auch das müsse jedoch erst in einem Verfahren festgestellt
werden, entgegnete Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Wenn Anträge von
bestimmten Personengruppen als nicht eingebracht gelten sollen, könne
sich dieses Prinzip künftig auch auf andere Personengruppen wie
Arbeitslose ausweiten. Eine solche Praxis dürfe man „nicht einreißen
lassen“, so Prammer. Auch Maximilian Köllner (SPÖ) betonte bei allen
Problemen des Asylsystems die Gültigkeit des Unions- und des
Völkerrechts.
ÖVP und Grüne machten sich „lächerlich“, wenn sie der FPÖ
Grenzüberschreitungen unterstellen, konstatierte Gernot Darmann (FPÖ)
. Eine Formulierung wie jene im Antrag seiner Fraktion finde sich
etwa im Verwaltungsrecht „überall“. Zudem erwarte sich die
Bevölkerung ein „konsequentes und rigoroses“ Handeln, so Darmann. (
Schluss) wit/fan