Wien (OTS) – Laut Berechnungen von SOS Mitmensch ist die reale
Wahlbeteiligung bei
der Wiener Gemeinderatswahl auf einen historischen Tiefstand von 40,6
Prozent gesunken. Noch nie seit 1919, als erstmals in Österreich das
allgemeine Wahlrecht galt, hat in Wien ein so kleiner
Bevölkerungsanteil gewählt. Von den 1,7 Millionen Wienerinnen und
Wienern im Wahlalter gaben am Sonntag weniger als 700.000 ihre Stimme
ab. Damit sei die Demokratielücke in Wien größer als jemals zuvor und
die kritische 50-Prozent-Grenze bei der realen Wahlbeteiligung weit
unterschritten worden, warnt die Menschenrechtsorganisation.
„Noch nie zuvor in der Zweiten Republik hat der Wiener
Gemeinderat seine Macht auf einer so dünnen Wählerschaft-Basis
aufgebaut. Weit weniger als halb Wien hat sich an der Wahl beteiligt.
Neben der gesunkenen Wahlbeteiligung der Menschen mit Wahlrecht liegt
der Hauptgrund im wachsenden Anteil jener Menschen, die aufgrund
ihrer Staatsbürgerschaft vom Wahlrecht ausgeschlossen sind“, äußert
sich SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak über die Entwicklung
besorgt.
Laut Zahlen der Statistik Austria waren mehr als 1,7 Millionen
Wienerinnen und Wiener zum Stichtag der Wien-Wahl im Wahlalter von
über 16 Jahren. Davon waren jedoch nur rund 1,1 Millionen
wahlberechtigt. Das sind weniger als zwei Drittel der
Wohnbevölkerung. Von den Wahlberechtigten machten nur 696.345
tatsächlich von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Damit liege die reale
Wahlbeteiligung der in Wien lebenden Menschen im Wahlalter bei nur
noch 40,6 Prozent, so die Berechnung von SOS Mitmensch.
SOS Mitmensch sieht im steigenden Anteil an Menschen, die nicht
wählen können oder nicht wählen wollen, eine bedenkliche Dynamik.
„Obwohl Wien seit 1990 um über ein Drittel gewachsen ist und das
Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt wurde, gibt es heute weniger
wahlberechtigte und wählende Wienerinnen und Wiener als noch vor 35
Jahren. Diese Entwicklung ist problematisch, sie nimmt den Menschen
die Zugehörigkeit zur Demokratie und der Demokratie den Rückhalt der
Menschen“, warnt Pollak.
SOS Mitmensch fordert die Politik auf, gegenzusteuern, um den
Trend der schrumpfenden realen Wahlbeteiligung zu durchbrechen. „Es
braucht eine Attraktivierung der Demokratie, eine substanzielle
Senkung der im europäischen Vergleich einzigartig hohen
Einbürgerungshürden, erweiterte Möglichkeiten für
Doppelstaatsbürgerschaften und einen bedingungslosen Rechtsanspruch
auf die Staatsbürgerschaft für hier geborene Kinder, deren Eltern
schon Jahre hier leben“, fordert SOS Mitmensch-Sprecher Pollak „eine
Trendwende in Richtung inklusiver Demokratie“.
SOS Mitmensch weist seit einigen Jahren mit der „Pass Egal Wahl“
auf die wachsende Demokratiekluft durch den immer geringer werdenden
Anteil an Wahlberechtigten hin. Vom Wahlausschluss betroffene
Menschen erhalten bei der „Pass Egal Wahl“ die Möglichkeit, ihre
Stimme symbolisch abzugeben und damit ein Zeichen für eine inklusive
Demokratie zu setzen. Fast 10.000 Menschen nutzten diese Gelegenheit
anlässlich der Wien-Wahl 2025.