Graz (OTS) – Landwirtschaft kein Preistreiber – Gewinne bleiben
woanders hängen.
Die Debatte über die Lebensmittelpreise läuft voller Emotionen, laut
und oft auch mit falschen Schuldzuweisungen. „Wer über
Lebensmittelpreise spricht, muss auch darüber reden, wer wieviel
davon bekommt“ , betont Landwirtschaftskammer Steiermark-Präsident
Andreas Steinegger. Der Agrarsektor als einziger Sektor mit voller
Preistransparenz in der Wertschöpfungskette, kann seinen Anteil klar
aufzeigen. Der Kammerpräsident: „Von den Lebensmittelpreisen kommen
in der Landwirtschaft oft nur ein paar Cent an, die Gewinne bleiben
woanders hängen.“ Und er unterstreicht: „Die Landwirtschaft ist kein
Preistreiber – im Gegenteil, sie ist in der Wertschöpfungskette am
stärksten unter Druck.“ Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (
WIFO/2025) bestätigt, dass der Einfluss der Agrargüter auf die
Lebensmittelpreise schwindet. Zum Preisauftrieb bei Lebensmitteln
trugen insbesondere Importprodukte wie Kaffee, Tee und Kakao bei.
Haupttreiber der 4-Prozent-Septemberinflation war mit 2,3 Prozent der
Bereich der Dienstleistungen, gefolgt von Energie mit 0,7 Prozent.
Landwirtschaft hat nur geringen Anteil am Endverbraucherpreis.
„Die Landwirtschaft braucht Fairness in der Wertschöpfungskette und
einen dauerhaft größeren, kosten- und leistungsgerechten
Wertschöpfungsanteil, um die Herstellung von agrarischen Rohstoffen
bei immer mehr und ständig steigenden Auflagen abzusichern“ ,
unterstreicht Steinegger . Am Spiel steht die heimische
Lebensmittelversorgung, die nur gesichert werden kann, wenn die
Position der Bauern in der Wertschöpfungskette gestärkt wird.
Aufgrund hoher Kosten und niedriger Erlöse sind die Bäuerinnen und
Bauern massiv unter Druck – der Anteil der Landwirtschaft an den
Lebensmittelpreisen ist verschwindend klein:
–
Semmel 3,7 Prozent: Für Weizen, der in einer Semmel enthalten
ist, erhält der Bauer nur 1,5 Cent netto – das sind 3,7 Prozent am
durchschnittlichen Verbraucherpreis von 39 Cent.
–
Mischbrot 5,4 Prozent: Von einem Kilo Mischbrot bleiben der
Landwirtschaft gerade einmal 18 Cent netto oder 5,4 Prozent des
durchschnittlichen Endverbraucherpreises von 3,40 Euro.
–
Schweinsschnitzel im Restaurant – nur 2,8 Prozent: Bei einem im
Restaurant verzehrten Schweinsschnitzel mit einem durchschnittlichen
Verbraucherpreis von 18,50 Euro beträgt der rechnerische Bauernanteil
magere 53 Cent netto oder 2,8 Prozent. Dieser sinkt kontinuierlich
2010 lag er bei 3,8 Prozent, 2024 bei 3,3 Prozent, 2025 bei 2,8
Prozent
–
Apfel 21 Prozent: Von einem Kilo Äpfel, die im Supermarkt
durchschnittlich 2,40 Cent kostet, bekommt der Obstbauer trotz hoher
Produktionskosten und bester Qualität heuer im Schnitt
voraussichtlich nur 50 Cent netto oder rund 21 Prozent.
Wer verdient wirklich am Essen? Steinegger verlangt volle
Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette Lebensmittel, um
Preistreiber zu ermitteln. Während in der Landwirtschaft als einziger
Sektor volle Preistransparenz vorherrscht, weiß man über die
Preisbildung in den anderen Sektoren in der Lebensmittel-
Wertschöpfungskette nur wenig. „Um herauszufinden, wer am Essen
wirklich verdient, brauchen wir für alle Sektoren von der Produktion
bis ins Regal volle Preistransparenz. Nur mit diesen Fakten ist
erkennbar, wer am Essen tatsächlich verdient“ , fordert Steinegger .
Volle Preistransparenz ist ein wichtiger Schlüssel, damit Konsumenten
besser entscheiden können, die Politik faktenorientiert die richtigen
Schlüsse ziehen kann und die Bäuerinnen und Bauern einen fairen
Anteil erhalten. Frankreich hat ein solches Preis-Monitoringsystem
bereits eingeführt, die Preise und Margen der wichtigsten
Grundnahrungsmittel werden entlang der gesamten Wertschöpfungskette
erhoben.
Position der Bauern in der Wertschöpfungskette stärken –
heimische Versorgung steht am Spiel. Die Wertschöpfungskette
Lebensmittel ist zulasten der Landwirtschaft in einer deutlichen
Schieflage, hat das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO aktuell
berechnet. Wenn ein Haushalt um 100 Euro im Lebensmittelhandel
beziehungsweise im Restaurant ausgibt, dann kommen in der heimischen
Landwirtschaft nur 4 Euro an, obwohl sie Voraussetzung für die
weiteren Sektoren wie Handel oder Verarbeitung ist. Beim Handel sind
es 14 Euro. 34 Euro fließen sogar ins Ausland ab – vor allem für
Energie, Maschinen, Rohstoffe, Patente und importierte Lebensmittel
wie Südfrüchte, Kaffee, Tee, Kakao, Champagner u.a . „Diese Fakten
zeigen deutlich auf, dass die Position der heimischen Landwirtschaft
in der Wertschöpfungskette deutlich zu stärken ist. Alle anderen
Sektoren haben Mitverantwortung, um die heimische Versorgung zu
sichern“ , unterstreicht Präsident Steinegger .
Agrarlandesrätin Simone Schmiedtbauer: „Wir müssen Regionalität
und Saisonalität überall den Vorrang geben – vom wöchentlichen
Einkauf für die Familie bis hin zur Beschaffung in Großküchen. Das
ist das zentrale Element der Lebensmittelstrategie weiß-grün und
dieses Ziel verfolgen wir weiter. In der Steiermark haben wir mit den
Großküchengipfeln, der Partnerschaft mit United Against Waste und dem
Bäuerlichen Versorgungsnetzwerk (BVN) bereits die idealen
Voraussetzungen geschaffen, um heimischen Lebensmitteln auch in der
Gemeinschaftsverpflegung den Vorrang zu geben. Großküchen sind
entscheidend für die Nachfrage nach regionalen und saisonalen
Produkten aus bäuerlicher Erzeugung, da heutzutage schon jede zweite
Mahlzeit auswärts eingenommen wird. Durch gute Ernten können wir
liefern – aber dazu muss die Nachfrage weiter steigen und die
bäuerliche Wertschöpfung gesichert sein!“
Regionaler Einkauf ist entscheidend. Die Bevölkerung hat es in
der Hand, ob die Lebensmittelversorgung aus heimischer Landwirtschaft
mit hoher Qualität und Tierwohl erhalten bleibt oder nicht und
folglich industriell hergestellte Lebensmittel aus dem Ausland
importiert werden. Wenn jeder Haushalt in der Steiermark monatlich
nur um 3,50 Euro mehr für heimische Lebensmittel ausgibt, entstehen
allein in der Steiermark 500 neue Arbeitsplätze (Österreich: 3.100).
Daher brauchen wir eine transparente Herkunftskennzeichnung von
Drittlandimporten bis hin zur Gastronomie und für verarbeitete
Lebensmittel wie beispielsweise Fertigpizzen, geschnittenes Obst und
Gemüse oder Dosenfleisch.
Ursula Reiter, Bäuerin aus Gleisdorf: Lebensmittel müssen nicht
fliegen! „ Fangen wir an das Richtige zu tun und hören wir auf mit
dem Falschen“ , appelliert die Gleisdorfer Obstbäuerin Ursula Reiter
, an die Bevölkerung heimische Lebensmittel in den Einkaufskorb zu
legen. Und betont: „Lebensmittel müssen nicht fliegen! Wir haben
außergewöhnliche Qualitäten, die Lebensmittel aus fernen Ländern
nicht bieten und bei denen wir nicht wissen, wie sie hergestellt
werden.“ Reiter weiter: „Nur eine kleine Einkaufsveränderung kann
Großes bewirken: Wenn jeder Haushalt im Monat um nur 3,50 Euro mehr
heimische Lebensmittel kauft und ausländische ersetzt, werden
Arbeitsplätze in der Region geschaffen und auch die bäuerlichen
Familienbetriebe werden gestärkt – wir verlieren aber die bäuerlichen
Familienbetriebe und setzen die heimische Lebensmittelversorgung auf
das Spiel, wenn wir nicht regional einkaufen.“