Die Natur zeigt immer häufiger ihre unbändige Kraft: Starkregen, Hagel, Hochwasser oder Stürme – Naturkatastrophen sind in Österreich keine Seltenheit mehr. Doch wie gut sind wir wirklich vorbereitet? Der jüngste „Verbrauchertalk“ der Arbeiterkammer Niederösterreich (AK NÖ) stellte genau diese Frage in den Mittelpunkt. Am 7. Oktober 2025 trafen sich Experten und Interessierte im Arbeitnehmerzentrum St. Pölten, um über die Absicherung von Konsumenten bei Naturkatastrophen zu diskutieren.

Die Bedrohung durch Naturkatastrophen

Österreich ist in den letzten Jahren vermehrt von extremen Wetterereignissen betroffen. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes hat sich die Zahl der Starkregenereignisse seit den 1980er Jahren verdoppelt. Diese Wetterphänomene führen zu enormen Schäden an Häusern, Infrastruktur und Fahrzeugen. Doch wer trägt die Kosten? Häufig sind es die Betroffenen selbst, da private Versicherungen oft nur eine minimale Grundabsicherung bieten.

Der Katastrophenfonds, eine staatliche Einrichtung zur Unterstützung bei Naturkatastrophen, kann helfen, doch die Leistungen sind nicht einheitlich und für viele Betroffene unzureichend. Markus Wieser, Präsident der AK Niederösterreich, betonte: „Es darf nicht sein, dass Menschen im Ernstfall auf Zufall oder Kulanz angewiesen sind – sie brauchen Sicherheit.“

Herausforderungen für die Feuerwehr

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Herausforderungen, die Naturkatastrophen mit sich bringen, lieferte Dietmar Fahrafellner, Landesfeuerwehrkommandant in Niederösterreich. Er berichtete von den Einsätzen während des Hochwassers im September 2024, bei dem fast 100.000 Feuerwehrleute im Einsatz waren. „Die logistischen und personellen Anforderungen waren enorm“, erklärte Fahrafellner. „Wir mussten schnell und effektiv handeln, um Menschenleben zu retten und Schäden zu minimieren.“

Die ökonomischen Folgen des Klimawandels

Mag. Dr. Franz Prettenthaler, Klimaökonom und Leiter des Joanneum Research LIFE Instituts, widmete sich den gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen von Naturkatastrophen. Er machte deutlich, dass die Risiken von Hochwassern und anderen Extremwetterereignissen in Zukunft zunehmen werden. „Der Klimawandel verändert die Rahmenbedingungen, und unsere Systeme sind darauf nicht ausgelegt“, so Prettenthaler.

Eine Pflichtversicherung für Hochwasserschäden könnte eine Lösung sein, doch die unterschiedliche Betroffenheit der Gemeinden erschwert die Umsetzung. Während einige Regionen regelmäßig von Hochwasser betroffen sind, bleiben andere weitgehend verschont. Diese Ungleichheit macht eine einheitliche Versicherungslösung schwierig.

Die Rolle der Versicherungswirtschaft

Dr. Thomas Hlatky von GRAWE Reinsurance beleuchtete die Sicht der Versicherungswirtschaft. Er betonte die Bedeutung eines umfassenden Risikomanagements, das Vorsorge, Hilfe im Ernstfall und finanzielle Absicherung umfasst. „Neue Technologien wie die HORA-Plattform oder KI-gestützte Tools bieten Chancen, bergen aber auch Risiken“, erklärte Hlatky. „Es braucht eine Gesamtlösung, bei der Politik, Gemeinden, Versicherungen und Konsumenten an einem Strang ziehen.“

Die Versicherungs-Lücke

Ein weiteres zentrales Thema des Verbrauchertalks war die sogenannte „Versicherungs-Lücke“. Mag. Alexander Hosner, Versicherungsexperte der AK Niederösterreich, berichtete aus der Praxis des Konsumentenschutzes. Oftmals müssen Geschädigte hohe Schadenssummen selbst tragen, da weder Versicherungen noch der Katastrophenfonds die Kosten vollständig abdecken. „Es fehlt häufig an Problembewusstsein, aber auch an Möglichkeiten, sich ausreichend zu versichern“, so Hosner.

Wie lässt sich diese Lücke schließen? Eine Möglichkeit wäre die Einführung einer Pflichtversicherung für alle Bürger, ähnlich wie es in anderen Ländern bereits praktiziert wird. Doch auch hier gibt es Herausforderungen, wie die unterschiedliche Betroffenheit der Regionen und die finanzielle Belastung der Bürger.

Internationale Perspektiven

Prof.in Dr.in Swenja Surminski von der London School of Economics brachte eine internationale Perspektive in die Diskussion ein. Sie betonte, dass wir in einer ‚neuen Normalität‘ leben, in der der Klimawandel die Rahmenbedingungen verändert. „Weltweit fließen 88 Prozent der Mittel in Katastrophenhilfe, aber nur 12 Prozent in Vorsorge. Das muss sich ändern“, so Surminski.

Sie zeigte Beispiele aus Großbritannien und Deutschland, wo Gemeinden und Bürger gemeinsam Lösungen entwickeln. Community-Ansätze, bei denen Bürger aktiv in den Schutz ihrer Umgebung eingebunden werden, könnten auch in Österreich ein Weg sein, um Risiken zu minimieren und Schäden zu verhindern.

Podiumsdiskussion: Absicherung bei Naturkatastrophen

In der abschließenden Podiumsdiskussion unter dem Titel „Naturkatastrophen absichern – aber wie?“ wurden die finanziellen und versicherungsrechtlichen Herausforderungen intensiv diskutiert. Mag.a Michaela Krömer vom Verein Claw – Initiative für Klimarecht, Mag. Christian Prantner, Finanzexperte der AK Wien, und LFR Alois Zaussinger, Bezirksfeuerwehrkommandant von Hollabrunn, waren sich einig: Langfristig braucht es ein Zusammenspiel von Politik, Gemeinden, Versicherungen und Konsumenten, um faire und tragfähige Lösungen zu schaffen.

Die Diskussion verdeutlichte, dass es keine einfachen Lösungen gibt, aber dass ein Umdenken dringend notwendig ist. „Wir müssen weg von der reinen Schadensbegrenzung hin zu einer aktiven Risikominimierung und Prävention“, fasste AK Niederösterreich-Direktorin Mag.a Bettina Heise MSc zusammen.

Ein Blick in die Zukunft

Die Zukunftsaussichten sind klar: Der Klimawandel wird die Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen weiter verstärken. Es ist daher unerlässlich, dass Österreich seine Systeme zur Absicherung von Konsumenten verbessert. Eine Kombination aus staatlicher Unterstützung, privater Versicherung und aktiver Bürgerbeteiligung könnte der Schlüssel sein.

Experten sind sich einig, dass die Einführung einer Pflichtversicherung für Naturkatastrophen ein wichtiger Schritt wäre. Gleichzeitig müssen aber auch die Infrastrukturen verbessert und die Bürger besser über Risiken und Präventionsmaßnahmen informiert werden.

Der „Verbrauchertalk“ der AK Niederösterreich hat gezeigt, dass es viele Ansätze und Ideen gibt, aber auch, dass der Weg zu einer umfassenden Absicherung noch weit ist. Die Veranstaltung endete mit einem Appell an alle Beteiligten, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und die Herausforderungen des Klimawandels aktiv anzugehen.