Das Europa-Forum Wachau, ein jährliches Treffen von Wirtschafts- und Politgrößen in Krems, Niederösterreich, hat erneut die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Am 12. Juni 2025 stand der IV-Wirtschafts-Salon unter dem Motto “Facing Change – Embracing Opportunities”. Die Veranstaltung warf einen detaillierten Blick auf die wirtschaftlichen Chancen, die sich aus den aktuellen globalen Herausforderungen ergeben.

Wirtschaftliche Verwerfungen und globale Konkurrenz

Die zentrale Frage des Salons drehte sich um die ökonomischen Verwerfungen und den verschärften globalen Wettbewerb, die Unternehmen und Staaten gleichermaßen unter Druck setzen. Ein Hauptthema war die Sicherung von Lieferketten, die Versorgung mit sauberer Energie und der Ausbau zeitgemäßer Infrastrukturen. Diese Aspekte sind nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa von entscheidender Bedeutung.

Lieferketten im Fokus

Die Sicherung von Lieferketten ist ein komplexes Thema. Eine Lieferkette beschreibt den gesamten Prozess, den ein Produkt von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Auslieferung an den Endkunden durchläuft. In der heutigen globalisierten Welt sind diese Ketten oft international und anfällig für Störungen, sei es durch politische Konflikte, Naturkatastrophen oder pandemiebedingte Einschränkungen. Die COVID-19-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie schnell globale Lieferketten ins Wanken geraten können.

Österreichs Rolle im europäischen Wirtschaftsgefüge

Unter der Leitung von Christian Wehrschütz, ORF-Ukraine-Korrespondent, diskutierten prominente Vertreter wie Kari Ochsner von der Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV-NÖ), Andreas Matthä von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Achim Kaspar vom Verbund und Hanna Zamazeeva von der Staatlichen Energieagentur der Ukraine über die wirtschaftlichen Chancen, die Österreich nutzen könnte.

Deutschland als Schlüsselpartner

Kari Ochsner wies auf die enormen Investitionen hin, die Deutschland, Österreichs wichtigster Exportpartner, plant. Mit 500 Milliarden Euro soll die Infrastruktur modernisiert werden. Dies bietet österreichischen Unternehmen immense Möglichkeiten, ihre Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Deutschland ist für Österreich nicht nur ein wichtiger Markt, sondern auch ein Tor zu weiteren europäischen Märkten.

Der Wiederaufbau der Ukraine: Eine historische Chance

Der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg ist ein weiteres zentrales Thema. Mit geplanten Investitionen von bis zu 700 Milliarden Euro ist dies das größte Wiederaufbauprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg. Österreichische Unternehmen könnten hier eine bedeutende Rolle spielen, indem sie ihre Expertise in Bereichen wie Energie- und Gebäudetechnologien, Infrastruktur und erneuerbare Energien einbringen.

Ein Blick in die Geschichte

Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, bekannt als der Marshallplan, war ein massives wirtschaftliches Hilfsprogramm der USA an Europa. Ziel war es, die kriegszerstörten europäischen Volkswirtschaften wieder aufzubauen, die politische Stabilität zu fördern und die Ausbreitung des Kommunismus einzudämmen. Ähnlich könnte der Wiederaufbau der Ukraine nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung bringen, sondern auch zur Stabilisierung der Region beitragen.

Kooperation mit der Ukraine

Hanna Zamazeeva unterstrich die Bedeutung einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und österreichischen Unternehmen. Die Ukraine ist an österreichischen Technologien interessiert, insbesondere im Bereich Energieeffizienz und Dekarbonisierung. Diese Zusammenarbeit könnte durch gemeinsame finanzielle Instrumente und die Einbindung lokaler Finanzinstitute beider Länder unterstützt werden.

Wirtschaftliche Auswirkungen auf Niederösterreich

Für Niederösterreich, ein Bundesland mit einer starken industriellen Basis, bietet der Wiederaufbau der Ukraine nicht nur neue Absatzmärkte, sondern auch die Möglichkeit, seine Innovationskraft und internationale Erfahrung unter Beweis zu stellen. Die regionale Wirtschaft könnte von einem verstärkten Export profitieren, was wiederum Arbeitsplätze sichert und schafft.

Der Beitrag der Bahnindustrie

Andreas Matthä von den ÖBB hob die Bedeutung der Bahn als Transportmittel der Zukunft hervor. Die österreichische Bahnindustrie ist der viertgrößte Exporteur von Bahnindustriegütern weltweit. Eine Modernisierung des ukrainischen Bahnnetzes könnte nicht nur den Transport innerhalb des Landes verbessern, sondern auch die Anbindung an andere europäische Länder stärken.

Einheitliche Standards für mehr Effizienz

Matthä betonte, dass Europa mehr einheitliche Standards im Bahnsektor brauche. Einheitliche Standards bedeuten, dass Produkte und Dienstleistungen in verschiedenen Ländern ohne Anpassungen genutzt werden können, was Effizienzgewinne und Kostensenkungen mit sich bringt. Ein Beispiel ist das europäische Zugsicherungssystem ETCS, das den grenzüberschreitenden Bahnverkehr erleichtert.

Zukunftsausblick: Chancen und Herausforderungen

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass Europa seine Stärken in den Bereichen Binnenmarkt, Innovationskraft und Zusammenarbeit nutzen muss, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Der Kontinent steht vor einem tiefgreifenden Wandel, der sowohl Risiken als auch Chancen bietet.

Mögliche Szenarien für die kommenden Jahre

  • Wirtschaftlicher Aufschwung: Durch gezielte Investitionen und Kooperationen könnte Europa einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben, der Arbeitsplätze schafft und die Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
  • Technologische Führerschaft: Europa könnte seine Position als technologischer Vorreiter ausbauen, indem es in Forschung und Entwicklung investiert und innovative Lösungen fördert.
  • Ökologische Nachhaltigkeit: Der Fokus auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz könnte dazu beitragen, die Klimaziele der EU zu erreichen und eine nachhaltige Zukunft zu sichern.

Fazit: Eine Goldene Ära für Österreich?

Das Europa-Forum Wachau hat gezeigt, dass Österreich in einer einzigartigen Position ist, um von den aktuellen globalen Entwicklungen zu profitieren. Die Kombination aus strategischen Partnerschaften, technologischer Expertise und einer starken industriellen Basis könnte das Land in eine neue Ära des Wohlstands führen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Österreich diese Chancen ergreifen kann.