Der ORF steht im Zentrum einer hitzigen Debatte: Er soll Inhalte für die gesamte Bevölkerung gestalten, doch wie gelingt das in einer immer diverser werdenden Gesellschaft? Diese Frage warf das jüngste ORF-DialogForum auf, das am 3. November 2025 ausgestrahlt wird.
Ein Rundfunk für alle?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Auftrag, ein breites Spektrum der Gesellschaft zu repräsentieren. Doch Olaf Jandura, Kommunikationswissenschafter aus Düsseldorf, stellt fest, dass über wohlhabende Städte mehr berichtet wird als über ärmere ländliche Regionen. Diese geografische Spaltung in der Berichterstattung führt dazu, dass Menschen auf dem Land den ORF weniger nutzen.
Die wirtschaftliche Dimension
Martin Schenk von der Diakonie Österreich weist darauf hin, dass die Einkommensverteilung in Österreich relativ gleich ist, aber das Vermögen stark ungleich verteilt ist. Dies wird durch die steigenden Lebenshaltungskosten verschärft. Menschen, die von Armut bedroht sind, werden in den Medien oft nur als potenzielle Kriminelle oder als Objekte von Wohltätigkeit dargestellt. Das alltägliche Leben dieser Menschen bleibt weitgehend unsichtbar.
Die Verantwortung des ORF
Josef Seethaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften betont, dass Armut kein Randthema sein sollte. Der ORF muss ein Forum bieten, in dem unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen ins Gespräch kommen können, um der Polarisierung entgegenzuwirken. Dies erfordert strukturelle Reformen, um armutsbetroffene Menschen in die Programmgestaltung einzubinden.
Die Stimme der Betroffenen
Sandra, eine Armutsaktivistin aus Wien, fordert eine Plattform, auf der Betroffene sich registrieren können, um mit dem ORF zusammenzuarbeiten. Nur so können sie sichtbar werden und für sich selbst einstehen.
Öffentlich-rechtliche Sender im Wandel
Larissa Krainer von der Universität Klagenfurt stellt die Frage, wie gut öffentlich-rechtliche Sender die Bevölkerung kennen. Dies wird zur Überlebensfrage dieser Medien, denn sie müssen ihre Türen öffnen, um möglichst viele Menschen in Programmentscheidungen einzubeziehen.
Media Literacy und Imagined Audience
Fiona Fehlmann von der Universität Zürich kritisiert das Konzept der Imagined Audience. Medien führen Umfragen durch, glauben aber oft zu wissen, was das Publikum will. Die Herausforderung besteht darin, aus solchen Daten echte Menschen zu machen. Begegnungsorte für den Austausch zwischen Publikum und Programmmachern sind notwendig.
Berichterstattung über Armut
Daniela Brodesser sieht Handlungsbedarf in der Berichterstattung über Armut, die oft unsachlich und emotional ist. Auch die Landbevölkerung ist unterrepräsentiert. Dies hat zu Misstrauen und Polarisierung geführt. Eine aktivere Beteiligung der Bevölkerung könnte positive Veränderungen bewirken.
Journalismuspreis „von unten“
Andrea Hauer, ausgezeichnet für respektvolle Armutsberichterstattung, merkt an, dass es schwierig ist, über bestimmte Gruppen zu berichten, ohne andere zu beleidigen. Es ist wichtig, mehrere Sendungen zu betrachten, um ein vollständiges Bild zu erhalten.
Das ORF-DialogForum, moderiert von Klaus Unterberger, ist eine Initiative, um den Dialog mit dem Publikum und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu fördern.