In einer dramatischen Sitzung des Wiener Landtags am 26. Juni 2025 kam es zu einer hitzigen Debatte über das neue Verfassungsgesetz, das das Interpellationsrecht, also das Fragerecht der Gemeinderäte, erheblich einschränken könnte. Diese Sitzung war geprägt von scharfer Kritik und tiefen politischen Gräben, die eine neue Ära der politischen Auseinandersetzung in Wien einleiten könnten.
Was bedeutet Interpellationsrecht?
Das Interpellationsrecht ist ein grundlegendes demokratisches Instrument, das es gewählten Vertretern erlaubt, von der Regierung Informationen einzufordern und sie zur Rechenschaft zu ziehen. In der aktuellen Diskussion geht es darum, dass dieses Recht von einzelnen Gemeinderäten auf das gesamte Kollegium übertragen werden soll, was bedeutet, dass nur eine Mehrheit der Gemeinderäte Anfragen stellen kann. Diese Änderung sorgt für erhebliche Unruhe, insbesondere bei den Oppositionsparteien.
Die Kritik der Opposition
Stadträtin Ulrike Nittmann von der FPÖ bezeichnete die geplante Änderung als einen Versuch, die Opposition auszuschalten. Sie kritisierte, dass die Mandatare nicht ausreichend in den Prozess eingebunden wurden, obwohl es sich um eine Änderung der Stadtverfassung handelt. Nittmann sieht darin eine vertane Chance und fragt sich, warum die Regierungsmehrheit die einzelnen Gemeinderäte schwächen möchte.
Die FPÖ ist nicht die einzige Partei, die Bedenken äußert. Auch die Grünen und die ÖVP stimmten in den Chor der Kritiker ein. David Ellensohn von den Grünen forderte, dass die Geheimhaltungspflichten nicht für Mitglieder des Landtages gelten sollten, und sah in der Gesetzesänderung eine Einschränkung der Rechte der Abgeordneten, was er als „Bankrotterklärung“ der Regierungskoalition bezeichnete.
Die Position der Regierungsparteien
Mag. Thomas Reindl von der SPÖ betonte, dass das Informationsfreiheitsgesetz keine Rechte beschneide, sondern im Gegenteil für mehr Transparenz sorge. Er verwies darauf, dass Wien bereits zahlreiche Dokumente und Verträge über 100.000 Euro öffentlich zugänglich macht. Reindl hob hervor, dass es notwendig sei, gewisse Geheimhaltungspflichten zu wahren, um nationale und öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.
LAbg. Mag. Dr. Michael Trinko von der SPÖ unterstützte diese Sichtweise und betonte, dass keine neuen Rechte verloren gingen, sondern lediglich bestehende Regelungen präzisiert würden. Er verwies auf das bestehende Informationsfreiheitsgesetz, das in vielen Bereichen für Transparenz sorge, aber auch notwendige Schutzmaßnahmen enthalte.
Ein Blick auf andere Bundesländer
In Oberösterreich haben die dortigen Oppositionsparteien ähnliche Änderungen erfolgreich bekämpft. Dort wurde eine Regelung eingeführt, die es einzelnen Abgeordneten weiterhin erlaubt, Anfragen zu stellen, was als positives Beispiel für Wien gesehen wird.
Welche Auswirkungen hat das auf die Bürger?
Für die Bürgerinnen und Bürger könnte diese Änderung bedeuten, dass weniger Informationen aus dem Gemeinderat an die Öffentlichkeit gelangen. Dies könnte die Transparenz der politischen Prozesse beeinträchtigen und das Vertrauen in die Politik schwächen. Gleichzeitig argumentiert die Regierung, dass die Geheimhaltungspflichten notwendig sind, um sensible Informationen zu schützen.
Expertenmeinungen
Ein politischer Analyst, der anonym bleiben möchte, sieht in den aktuellen Entwicklungen eine gefährliche Tendenz zur Zentralisierung der Macht. „Es ist entscheidend, dass die Bürger weiterhin Zugang zu umfassenden Informationen über die Arbeit ihrer gewählten Vertreter haben. Jede Einschränkung könnte langfristige Auswirkungen auf das demokratische Gefüge haben“, so der Experte.
Der Ausgang der Sitzung
Am Ende der Sitzung wurde der Gesetzesentwurf mit den Stimmen der SPÖ und Neos angenommen, während der Änderungsantrag der Grünen abgelehnt wurde. Die Sitzung endete um 14:37 Uhr, doch die Debatte dürfte noch lange nachhallen.
Ein Blick in die Zukunft
Es bleibt abzuwarten, wie sich die politische Landschaft in Wien entwickeln wird. Die aktuelle Debatte könnte ein Vorbote für weitere Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition sein. Die Bürger werden genau beobachten, wie sich die Änderungen auf die Transparenz und die Möglichkeit zur politischen Partizipation auswirken.
Die Informationsdatenbank des Wiener Landtages bietet weiterhin Zugang zu einer Vielzahl von Dokumenten und Videos, die es den Bürgern ermöglichen, die politischen Prozesse nachzuvollziehen. Weitere Informationen sind unter www.wien.gv.at/infodat verfügbar.