In einem Land, das sich rühmt, in Sachen Tierschutz zu den fortschrittlichsten der Welt zu gehören, gibt es eine unbequeme Wahrheit, die heute ans Licht kommt. Am 3. Juni 2025 veröffentlichte der Verein gegen Tierfabriken (VGT) eine Pressemitteilung, die die Praktiken der österreichischen Tierhaltung in einem neuen, erschreckenden Licht erscheinen lässt. Während die meisten ‚Nutztiere‘ in Österreich auf weichem Stroh stehen, müssen Schweine und Rinder weiter auf den umstrittenen Vollspaltenböden ausharren. Doch was steckt hinter dieser Praxis, und warum wird sie so vehement verteidigt?
Was sind Vollspaltenböden?
Vollspaltenböden sind spezielle Bodenbeläge in der Tierhaltung, die aus Betonplatten mit schmalen Spalten bestehen, durch die der Kot und Urin der Tiere abfließen können. Diese Böden sind besonders in der Schweinehaltung verbreitet und gelten als wirtschaftlich, da sie den Reinigungsaufwand minimieren. Doch Kritiker argumentieren, dass diese Böden den Tieren Leid zufügen. Sie bieten keinen Komfort, sind hart und unnatürlich, was zu gesundheitlichen Problemen wie Gelenk- und Klauenschäden führen kann.
Historische Entwicklung der Vollspaltenböden
Die Einführung der Vollspaltenböden geht auf die 1960er Jahre zurück, als die Intensivierung der Landwirtschaft begann. Damals lag der Fokus auf Effizienz und Produktivität, und die Bedürfnisse der Tiere wurden oft hintangestellt. Erst in den letzten Jahrzehnten ist das Bewusstsein für artgerechte Tierhaltung gestiegen, und immer mehr Länder überdenken ihre Praktiken.
Österreichs Tierschutzgesetz und seine Lücken
In Österreich regelt das Tierschutzgesetz die Bedingungen, unter denen Tiere gehalten werden dürfen. Laut § 18 (2a) ist der Einsatz von unstrukturierten Vollspaltenböden bei Schweinen erlaubt, während andere Tiere wie Milchkühe, Schafe und Ziegen auf weicheren Untergründen stehen müssen. Diese Diskrepanz sorgt für Unmut unter Tierschützern.
DDr. Martin Balluch, Obmann des VGT, kommentiert: „Es ist ein Skandal, dass Schweine in Österreich so viel schlechter behandelt werden als andere Tiere. Der Vollspaltenboden ist nichts anderes als eine Quälerei, die abgeschafft gehört.“
Vergleich mit anderen europäischen Ländern
In Ländern wie Schweden und der Schweiz sind Vollspaltenböden bereits verboten oder stark reglementiert. Diese Länder haben erkannt, dass eine artgerechte Tierhaltung nicht nur im Interesse der Tiere, sondern auch der Konsumenten liegt, die zunehmend Wert auf ethische Produktionsbedingungen legen.
Die Argumente der Befürworter
Die Befürworter der Vollspaltenböden argumentieren, dass diese wirtschaftlich notwendig sind. Der Geschäftsführer der Schweinebörse behauptete kürzlich vor Gericht, dass die Einführung von Stroheinstreu die gesamte Schweinebranche gefährden könnte. „Stroh ist nicht nur teuer, sondern kann auch gesundheitliche Risiken für die Tiere bergen“, so seine Aussage.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen
Die Umstellung von Vollspaltenböden auf Stroheinstreu würde zweifellos Investitionen erfordern. Landwirte müssten in neue Ställe und Einstreumaterialien investieren. Doch die langfristigen Vorteile könnten die Kosten aufwiegen. Experten wie Dr. Anna Müller, Tierärztin und Agrarökonomin, betonen: „Eine artgerechte Tierhaltung verbessert das Wohlbefinden der Tiere und kann die Produktivität steigern. Zufriedene Tiere sind gesündere Tiere.“
Was bedeutet das für die Verbraucher?
Für den Verbraucher könnte eine Umstellung auf artgerechte Haltung höhere Preise für Schweinefleisch bedeuten. Doch viele Konsumenten sind bereit, mehr zu zahlen, wenn sie wissen, dass die Tiere unter besseren Bedingungen aufwachsen. Eine Umfrage des Instituts für Sozialforschung ergab, dass 65% der Österreicher bereit wären, für tierfreundlich produziertes Fleisch mehr Geld auszugeben.
Der Weg in die Zukunft
Die Zukunft der Tierhaltung in Österreich könnte in Richtung mehr Tierschutz gehen. Der VGT fordert die Regierung auf, die Gesetzeslage zu überdenken und den Vollspaltenboden abzuschaffen. „Wir haben einen Auftrag: das Staatsziel Tierschutz. Schweine auf Vollspaltenboden zu halten, hat absolut nichts mit Tierschutz zu tun. Das ist verfassungswidrig“, so Balluch.
Die Diskussion um Vollspaltenböden ist nicht nur ein Thema für Tierschützer. Es betrifft die gesamte Gesellschaft, die entscheiden muss, wie sie mit den Tieren umgeht, die sie als Nahrungsquelle nutzt. In einer Zeit, in der ethische Standards immer wichtiger werden, könnte Österreich hier eine Vorreiterrolle übernehmen. Doch dafür bedarf es politischer Entscheidungen und gesellschaftlicher Unterstützung.
Fazit
Die Debatte um die Vollspaltenböden in der Schweinehaltung ist ein Symptom für ein größeres Problem in der Landwirtschaft. Die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und ethischer Tierhaltung muss neu austariert werden. Es liegt an den politischen Entscheidungsträgern, den Willen der Bevölkerung zu hören und die notwendigen Schritte zu unternehmen, um das Wohl der Tiere zu verbessern. Nur so kann Österreich seinem Ruf als Land des Tierschutzes gerecht werden.