Die aktuelle Lage der Studierenden in Österreich sorgt für Schlagzeilen: Eine alarmierende Studie zeigt, dass immer mehr Studierende neben ihrem Studium arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen. Doch das hat seinen Preis – psychische und finanzielle Belastungen nehmen zu. Wie kam es zu dieser Situation, und was bedeutet das für die Zukunft der Hochschulbildung in Österreich?
Ein Blick auf die Zahlen: Erwerbstätige Studierende im Fokus
Laut der jüngsten Studierenden-Sozialerhebung 2023, die vom Wissenschaftsministerium in Zusammenarbeit mit dem Institut für Höhere Studien (IHS) durchgeführt wurde, sind knapp 43.000 Studierende in Österreich erwerbstätig. Diese Zahl ist nicht nur bezeichnend, sondern auch erschreckend, wenn man bedenkt, dass Österreich mit dem Anteil von arbeitenden Studierenden im oberen Drittel Europas liegt.
Warum arbeiten so viele Studierende? Der Hauptgrund liegt in den steigenden Lebenshaltungskosten, insbesondere in Städten wie Wien, Graz und Innsbruck. Die Mieten für Studentenwohnungen sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen, und auch die Kosten für Lebensmittel und Studienmaterialien belasten das Budget der Studierenden erheblich.
Der Druck wächst: Psychische Belastung auf dem Vormarsch
Die finanzielle Belastung ist jedoch nicht das einzige Problem. Die psychischen Belastungen der Studierenden haben sich seit der COVID-19-Pandemie ebenfalls verschärft. Die Isolation während der Lockdowns und der Druck, Studium und Arbeit unter einen Hut zu bringen, haben Spuren hinterlassen.
Experten wie Martin Unger vom IHS betonen, dass die Kombination aus Studium und Erwerbstätigkeit eine komplexe Herausforderung darstellt. „Ein Studium erfordert Zeit und Konzentration. Wenn Studierende zusätzlich arbeiten müssen, kann das zu einem Burnout führen“, so Unger. „Besonders problematisch ist es, wenn die Arbeit keinen Bezug zum Studienfach hat, denn das erhöht den Stress zusätzlich.“
- 23 % der Studierenden geben an, erwerbstätig sein zu müssen, sich aber lieber auf das Studium konzentrieren zu wollen.
- 25 % sehen sich primär als Erwerbstätige, die nebenbei studieren.
Historische Entwicklung: Von der Bildungselite zur Massenuniversität
Um die aktuelle Situation zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Seit den 1970er Jahren hat sich die Hochschullandschaft in Österreich stark verändert. War ein Studium früher der privilegierten Bildungselite vorbehalten, so hat sich das Bild durch zahlreiche Bildungsreformen gewandelt. Die Universitäten wurden für breitere Bevölkerungsschichten zugänglich, was zu einem Anstieg der Studierendenzahlen führte.
Doch mit der steigenden Anzahl an Studierenden stiegen auch die Herausforderungen. Die Universitäten mussten mehr Mittel bereitstellen, um die Qualität der Lehre aufrechtzuerhalten, während gleichzeitig die staatlichen Zuschüsse nicht im gleichen Maße erhöht wurden. Dieser finanzielle Engpass führte dazu, dass viele Studierende gezwungen sind, neben dem Studium zu arbeiten.
Vergleich mit anderen Bundesländern und Ländern
Interessant ist auch der Blick über die Landesgrenzen hinaus. In Deutschland beispielsweise sind die Studienbedingungen ähnlich, doch die finanzielle Unterstützung für Studierende ist dort oft besser geregelt. In Skandinavien hingegen sind die Studiengebühren abgeschafft und die soziale Absicherung ist deutlich ausgeprägter, was zu einer geringeren Erwerbstätigkeit unter Studierenden führt.
In Österreich selbst gibt es ein deutliches Ost-West-Gefälle. Während in Wien und Niederösterreich viele Studierende arbeiten müssen, um die hohen Lebenshaltungskosten zu decken, ist die Situation in ländlichen Gebieten entspannter. Hier sind die Mieten niedriger, und es gibt weniger Konkurrenz um Jobs.
Konkrete Auswirkungen auf die Studierenden
Für die Studierenden bedeutet die Doppelbelastung aus Studium und Arbeit oft einen schmalen Grat zwischen Erfolg und Überlastung. Die Studienzeit verlängert sich, da weniger Zeit für die akademische Ausbildung zur Verfügung steht. Gleichzeitig leidet die Studienqualität, da weniger Zeit für das Lernen und die Teilnahme an universitären Veranstaltungen bleibt.
Ein weiteres Problem ist die psychische Gesundheit. Studien zeigen, dass Studierende, die arbeiten, häufiger unter Stress, Angstzuständen und Depressionen leiden. Die psychologische Beratungsstelle für Studierende verzeichnete im vergangenen Jahr einen Anstieg der Anfragen um 15 %.
Expertenmeinungen und politische Reaktionen
Die Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner betont die Wichtigkeit, die soziale Lage der Studierenden zu verbessern. „Wir müssen sicherstellen, dass Studierende nicht aus finanziellen Gründen ihr Studium abbrechen müssen“, so Holzleitner. „Die Erhöhung der Studienbeihilfe und die Wiedereinführung der Studierendenwohnheimförderung sind wichtige Schritte in diese Richtung.“
Auch die Ombudsstelle für Studierende sieht Handlungsbedarf. Die Leiterin Katharina Rothwangl fordert eine bessere Vereinbarkeit von Studium und Beruf. „Wir müssen den Studierenden mehr Flexibilität bieten, etwa durch den Ausbau der digitalen Lehre“, erklärt Rothwangl. „Gerade für Studierende mit Betreuungspflichten ist dies eine wichtige Unterstützung.“
Zukunftsausblick: Was muss sich ändern?
Die Zukunft der Hochschulbildung in Österreich steht vor großen Herausforderungen. Die Politik ist gefordert, nachhaltige Lösungen zu finden, um die finanzielle und psychische Belastung der Studierenden zu reduzieren. Dazu gehören:
- Eine weitere Erhöhung der Studienbeihilfe, um den gestiegenen Lebenshaltungskosten gerecht zu werden.
- Der Ausbau von leistbarem Wohnraum für Studierende, insbesondere in Ballungsräumen.
- Die Förderung von studienrelevanten Nebenjobs, um die Verbindung zwischen Studium und Beruf zu stärken.
- Der Ausbau der digitalen Lehre, um mehr Flexibilität zu bieten.
- Verbesserte psychologische Unterstützung und Beratungsangebote für Studierende.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es gelingt, die Studienbedingungen in Österreich nachhaltig zu verbessern. Fest steht, dass die Studierenden nicht allein gelassen werden dürfen. Ihre Bildung ist die Grundlage für die Zukunft des Landes, und es liegt in der Verantwortung der Politik, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Bleiben Sie dran, um mehr über die Entwicklungen in der österreichischen Hochschulpolitik zu erfahren. Wir werden Sie weiterhin über alle wichtigen Neuigkeiten informieren.