Öffentliche Räume, einst lebendige Zentren des sozialen Lebens, sind vielerorts in Vergessenheit geraten. Doch das jüngste Projekt des AIT, „Sleeping Beauty“, verspricht, diese verborgenen Schätze zu neuem Leben zu erwecken. Vom 4. bis zum 6. Juni 2025 fiel in Wien der Startschuss für ein ambitioniertes Unterfangen, das vergessene öffentliche Räume in sechs europäischen Städten revitalisieren soll.

Ein ehrgeiziges europäisches Vorhaben

Das Projekt „Sleeping Beauty“ wird von der Europäischen Kommission finanziert und vom AIT Austrian Institute of Technology geleitet. Mit dabei sind 21 Organisationen aus neun verschiedenen Ländern. Gemeinsam haben sie sich das Ziel gesetzt, übersehene und vernachlässigte öffentliche Räume wiederzubeleben. Die Pilotstandorte sind Riga in Lettland, Wrocław in Polen, Fröseke in Schweden, Bozen und Collegno in Italien sowie Kozani in Griechenland. Jeder dieser Orte soll durch naturbasierte Lösungen (Nature-Based Solutions, NBS) und die Prinzipien des Neuen Europäischen Bauhauses (NEB) zu einem multifunktionalen Lebensraum umgestaltet werden.

Was sind naturbasierte Lösungen?

Naturbasierte Lösungen sind Strategien, die die Natur nutzen, um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Sie fördern die Biodiversität, verbessern die Lebensqualität und stärken die Resilienz von Städten gegenüber dem Klimawandel. Im Rahmen von „Sleeping Beauty“ werden diese Lösungen mit den Werten des NEB kombiniert, um nachhaltige, inklusive und ästhetisch ansprechende Räume zu schaffen.

Ein kreativer Auftakt in Wien

Der Start des Projekts in Wien war ein lebendiges Ereignis voller Natur und Kreativität. Im Filmquartier Wien, einem ehemals vernachlässigten Raum, der in eine grüne Oase verwandelt wurde, versammelten sich Partnerorganisationen aus ganz Europa. Diese Kulisse verdeutlichte das Ziel des Projekts: die Schönheit vergessener öffentlicher Räume zu wecken und sie in Orte der Begegnung zu verwandeln.

Historischer Kontext und Bedeutung

Öffentliche Räume haben in der Geschichte der Städteplanung eine zentrale Rolle gespielt. Sie waren Orte der Begegnung, des Austauschs und der Erholung. Doch mit der zunehmenden Urbanisierung und dem rasanten Wachstum der Städte wurden viele dieser Räume vernachlässigt. Projekte wie „Sleeping Beauty“ versuchen, diesen Trend umzukehren und öffentliche Räume wieder in den Mittelpunkt des städtischen Lebens zu rücken.

Die Herausforderungen der Pilotstandorte

Jeder der sechs Pilotstandorte steht vor einzigartigen Herausforderungen. In Riga und Wrocław sind es städtische Hitzeinseln und die Abwanderung der Bevölkerung, die es zu bewältigen gilt. Fröseke und Bozen kämpfen mit mangelnder Begrünung und Lichtverschmutzung. In Collegno und Kozani sind es soziale und klimatische Bedingungen, die berücksichtigt werden müssen. Durch die Integration von NBS und NEB-Werten werden diese Herausforderungen angegangen und die Standorte in lebenswerte Räume umgestaltet.

Ein transdisziplinärer Ansatz

„Sleeping Beauty“ verfolgt einen innovativen, transdisziplinären Ansatz. Der Transformationsprozess folgt einem dreiphasigen Rahmenmodell: Rahmen setzen und erkunden, Innovation umsetzen, Hochskalieren und verankern. Dabei werden ko-kreative Methoden eingesetzt, um die natürliche Schönheit jedes Standorts neu zu definieren. Ein Ergebnis dieses Prozesses ist das „Compendium of New Practices“, eine Sammlung von Strategien und Methoden aus Bereichen wie Design, Bauwesen, Ökosystemwissenschaft und technologischer Innovation.

Ko-Kreation als Schlüssel zur Raumgestaltung

Ein zentrales Element des Projekts ist die Ko-Kreation. Die Community of Practice (CoP) bietet einen inklusiven Raum für den Wissensaustausch zwischen Verwaltung, Fachleuten und Zivilgesellschaft. Durch die Einbindung verschiedenster Interessengruppen soll eine zukunftsorientierte, naturbasierte Vision für die Gestaltung öffentlicher Räume entwickelt werden.

Die Auswirkungen auf die Bürger

Die Revitalisierung öffentlicher Räume hat direkte Auswirkungen auf die Bürger. Sie fördert die soziale Teilhabe, verbessert die Lebensqualität und schafft neue Möglichkeiten für Erholung und Begegnung. Städte, die auf naturbasierte Lösungen setzen, profitieren von einer verbesserten Luftqualität, geringerer Lärmbelastung und einem angenehmeren Stadtklima.

Expertenmeinungen

Dr. Maria Hoffmann, Expertin für Stadtplanung, erklärt: „Projekte wie ‚Sleeping Beauty‘ sind essenziell, um den urbanen Raum lebenswerter zu gestalten. Durch die Kombination von Natur und Architektur können wir Städte schaffen, die sowohl ökologisch als auch sozial nachhaltig sind.“

Ein Blick in die Zukunft

In den kommenden vier Jahren wird „Sleeping Beauty“ die Transformation der Pilotstandorte vorantreiben. Die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen sollen auf andere Städte und Regionen übertragen werden, um europaweit die Bedeutung öffentlicher Räume zu stärken. Das Projekt wird von Horizon Europe, dem Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union, unterstützt und hat das Potenzial, ein Vorbild für nachhaltige Stadtentwicklung zu werden.

Fazit

„Sleeping Beauty“ ist mehr als nur ein Projekt zur Verschönerung von Städten. Es ist ein Aufruf, den Wert öffentlicher Räume neu zu erkennen und sie als essenzielle Bestandteile unserer urbanen Landschaft zu betrachten. Mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit, Inklusion und Ästhetik könnte dieses Projekt die Art und Weise, wie wir über Städteplanung denken, grundlegend verändern.

Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen Projektwebsite www.sleepingbeauty-project.eu und auf der Seite des AIT www.ait.ac.at/ueber-das-ait.