Die Westbahn GmbH hat am 3. November 2025 in Österreich für Aufsehen gesorgt: Erstmals wurden Doppelstockzüge des chinesischen Herstellers CRRC vorgestellt, die bald auf der Weststrecke verkehren sollen. Dies markiert einen historischen Moment, da es einer der ersten Einsätze von chinesischem Rollmaterial im Personenschienenverkehr der EU ist. Doch was bedeutet das für die österreichische Bahnindustrie und die europäische Wertschöpfung?
Österreichs Bahnindustrie: Ein versteckter Champion
Österreich hat sich in den letzten Jahren als führender Akteur im Bereich der Bahnindustrie etabliert. Mit rund 34.000 Beschäftigten gilt sie als Schlüsselindustrie des Landes. Beeindruckend ist, dass Österreich weltweit den ersten Platz bei Pro-Kopf-Exporten im Bahnsektor einnimmt, mit einem Jahresvolumen von 1,8 Milliarden Euro. Diese Zahlen verdeutlichen die Bedeutung der Branche für die österreichische Wirtschaft.
Die heimischen Unternehmen tragen maßgeblich dazu bei, dass die EU bei der Automatisierung und Digitalisierung im Eisenbahnbereich führend ist. Diese Technologieführerschaft zeigt sich auch in der Forschung: Österreich belegt den ersten Platz bei Patenten pro Kopf und führt bei EU-weiten Investitionen in Forschung und Entwicklung im Eisenbahnbereich.
Vergleich mit anderen Bundesländern
Im Vergleich zu anderen Bundesländern und Ländern hat Österreich eine einzigartige Position inne. Während Deutschland und Frankreich ebenfalls starke Bahnindustrien besitzen, ist Österreichs Fokus auf Pro-Kopf-Exporte besonders hervorzuheben. Diese Spezialisierung hat dazu geführt, dass Österreich bei der Innovation im Bahnsektor an der Spitze steht.
Die Bedrohung durch Drittstaaten
Die Einführung von CRRC-Zügen auf österreichischen Schienen wirft Fragen zur Abhängigkeit von Drittstaaten auf. Lukas Oberndorfer, Leiter der Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr der Arbeiterkammer Wien, sieht darin einen potenziellen Dammbruch, der die Krisenfestigkeit der Eisenbahn gefährden könnte. „Die Bahn ist das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs. Gerade in Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen muss diese kritische Infrastruktur unter öffentlicher und europäischer Kontrolle bleiben“, warnt Oberndorfer.
Historische Beispiele wie der Chiphersteller Nexperia, der die EU-Autoindustrie ins Wanken brachte, oder Tests von chinesischen E-Bussen in Norwegen, die ferngesteuert abgeschaltet werden konnten, verdeutlichen die Risiken einer Abhängigkeit von Drittstaaten.
Konkrete Auswirkungen auf Bürger
Für die österreichischen Bürger könnte die Einführung von CRRC-Zügen sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Einerseits könnten günstigere Ticketpreise durch den Einsatz kosteneffizienter Züge möglich werden. Andererseits besteht die Gefahr, dass Arbeitsplätze in der heimischen Bahnindustrie verloren gehen, was langfristig zu wirtschaftlichen Nachteilen führen könnte.
Die Rolle der EU und nationale Maßnahmen
Die Arbeiterkammer Wien fordert die EU-Kommission auf, ihre Zulassungskriterien für Rollmaterial zu überprüfen. Auf nationaler Ebene gibt es ebenfalls Handlungsspielraum: Die Westbahn erhält Steuergelder aus dem Klimaticketverbund, jedoch ohne spezifische Auflagen. Oberndorfer fordert, dass die Beschaffung von Rollmaterial an soziale und ökologische Kriterien sowie einen Mindestanteil an europäischer Wertschöpfung gebunden wird.
„Heimische Bahnproduktion ist nicht nur Industriepolitik, sondern auch Standort- und Sicherheitspolitik. Deswegen sind staatliche Regelungen erforderlich“, betont Oberndorfer. Diese Forderungen zielen darauf ab, die europäische Wertschöpfung zu stärken und die heimische Industrie zu schützen.
Ein Blick in die Zukunft
Die Zukunft der österreichischen Bahnindustrie hängt von mehreren Faktoren ab. Sollte die EU ihre Kriterien verschärfen und nationale Regelungen eingeführt werden, könnte die heimische Industrie gestärkt aus der aktuellen Situation hervorgehen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Abhängigkeit von Drittstaaten zunimmt.
Experten prognostizieren, dass die Digitalisierung und Automatisierung im Bahnsektor weiter zunehmen werden. Österreich könnte seine Technologieführerschaft nutzen, um innovative Lösungen zu entwickeln und sich so einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.
Fazit
Die Einführung von CRRC-Zügen in Österreich ist ein Weckruf für die heimische Bahnindustrie und die europäische Politik. Es liegt nun an den Entscheidungsträgern, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um die europäische Wertschöpfung zu sichern und die heimische Industrie zu schützen. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um die Weichen für die Zukunft der österreichischen Bahnindustrie zu stellen.